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Der globale Wandel der Kategorie Zwangsarbeit: Klassifizierung und Vergleich der Deutungsmodelle der Arbeitswelt in der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) 1919-2017.
Antragstellerin
Professorin Dr. Marianne Braig, seit 10/2021
Fachliche Zuordnung
Soziologische Theorie
Förderung
Förderung von 2019 bis 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 413607635
Dieses Vorhaben erforscht den globalen Wandel der Kategorie Zwangsarbeit aus wissenssoziologischer Sicht. Dieser wird anhand der International Labour Organization (ILO) untersucht, die sich seit 1919 als Internationale Organisation mit Zwangsarbeit befasst und seitdem den Diskurs darüber entscheidend prägt. In imperialen Kontext verstand die ILO Zwangsarbeit vorwiegend als koloniales Phänomen, heute betrachtet sie diese als Angelegenheit des weltweiten Arbeitsmarkts im Strukturkontext globaler sozialer Ungleichheit. In der „Declaration on Fundamental Principles and Rights at Work“ (ILO) erklärt die ILO die Abschaffung der Zwangsarbeit zu einem grundlegenden Arbeitsrecht. Mit dieser Neuausrichtung strebt sie erstmals die politische Bekämpfung der Zwangsarbeit an. Zugleich werden ihre Beobachtungsinstrumente auf die Quantifizierung der Zwangsarbeit, ihre statistische Kategorisierung, globale Schätzung und Messung durch Indikatoren ausgedehnt. Die Ausgangsfrage ist, welche Kontinuitäten und Brüche die Deutung der Zwangsarbeit in den beiden Konfigurationen erfährt. Dieser Zusammenhang ist soziologisch bislang nicht erforscht. Der spezifische Beitrag des Vorhabens liegt darin, diese Kontinuitäten und Brüche in der ILO zu erforschen, wie sie in Wissensordnungen potentiell globalen Ausmaßes verfestigt und objektiviert werden. In Perspektive der jüngeren globalen historischen Soziologie wollen wir anhand von zwei qualitativen Mikrostudien zum einen die Historizität der Kategorie Zwangsarbeit im imperialen Kontext zum anderen ihre gegenwärtige globale Verortung untersuchen.Die Ausgangsannahme ist, dass die Klassifikations- und Re-Klassifikationsprozesse der Zwangsarbeit in unterschiedliche gesellschaftliche Konfigurationen eingebettet sind. Darin erfährt die Kategorie der Zwangsarbeit eine Metamorphose von einem partikularen außereuropäischen zu einem globalen Problem. Diese Verschiebung des Referenzfeldes - so vermuten wir – ermöglicht auch eine Öffnung des Raums der Erwerbstätigkeit für die Zwangsarbeit, aus dem sie bislang ausgeklammert wird.Zur wissenssoziologischen Erforschung dieses Zusammenhangs verwenden wir einen vergleichstheoretischen Zugriff. Dieser erlaubt es, die Klassifikation der Zwangsarbeit als ein historisch-spezifisches und kontingentes Ordnungsverfahren der Unterscheidung von Ähnlichkeit und Differenz zu untersuchen, aber auch zu erschließen, wie Zwangsarbeit durch Indikatorenmessung verglichen wird.Mit diesem Vorhaben soll ein gesellschaftlich signifikantes und virulentes Phänomen der aktuellen Arbeitswelt untersucht werden, das bislang weder die Aufmerksamkeit der Arbeits- und Ungleichheitssoziologie noch der soziologischen Globalisierungsforschung erhalten hat.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Frankreich, Mexiko, Niederlande, Schweiz
Kooperationspartnerinnen / Kooperationspartner
Professorin Silvia Giorguli; Dr. Olivier Giraud; Professor Dr. Marcel van der Linden; Yann Stricker; Privatdozentin Dr. Nikola Tietze
Ehemalige Antragstellerin
Professorin Dr. Theresa Wobbe, bis 10/2021