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Sprachliche und parasprachliche Kommunikation im Bundestag und im House of Commons (1949-1990)
Antragsteller
Professor Dr. Thomas Mergel
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2019 bis 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 415663028
Das angestrebte Forschungsprojekt zielt mit digitalen Auswertungsmethoden auf eine performative Kommunikationsgeschichte des Bundestages im Vergleich mit dem britischen House of Commons. Die Fragestellung richtet sich zum einen auf die Struktur der sprachlichen Kommunikation (Formen des Redens, Unterbrechungen, dialogische Struktur, "politische Sprachen"), zum anderen auf nonverbale und parasprachliche Kommunikationsformen (spontane Äußerungen, Zwischenrufe, Applaus, Lachen, Verlassen des Saales etc.). Das Parlament soll also als Kommunikationsereignis untersucht werden. Damit werden die vielfältigen Anregungen der neueren Parlamentarismusforschung aufgenommen, die jenseits des als rational und argumentorientiert konzipierten parlamentarischen Diskurses die symbolischen und performativen Momente der Kommunikation stärker in den Blick nimmt. Der spezifische Neuigkeitscharakter des Projekts liegt in seiner Methode: es verfolgt den integrierenden Ansatz einer digitalen Heuristik, die digitale Textkorpora der Parlamentsprotokolle systematisch und umfassend sowie digitalisierte Ton- und Bildaufnahmen prototypisch exemplarisch auswertet. Damit will es über die bisherige exemplarische, bisweilen auch arbiträre Untersuchung von politischer Kommunikation hinausweisen und das Vorliegen von Massenquellen zu einer Analyse im Sinne von "Big Data" ausnutzen. Technisch wären auch umfassende Untersuchungen der audiovisuellen Quellen denkbar; sie sind aber bisher noch nicht mit einem vertretbaren Aufwand zu leisten, vor allem deshalb, weil die Quellen (Audio- und Videoaufnahmen der Parlamentssitzungen) noch nicht in einer maschinell auswertbaren Form vorliegen. Diese Perspektiven liegen aber durchaus im Horizont des Projektansatzes. Der Vergleich erfüllt hierbei einerseits die Funktion, unterschiedliche Formen parlamentarischer Kommunikation und damit politischer Kultur zu identifizieren; zum anderen aber soll er, indem er auf den Wandel blickt, nach der Stabilität dieser spezifischen Kulturen fragen und der Hypothese einer Konvergenz nachgehen. Welche Formen des Sprechens, des Streitens, des Dialogs dominierten in diesen beiden Parlamenten? Welche nicht-argumentativen Formen von Störung, Unterstützung, Stimmungsäußerung bildeten das Repertoire des Kommunizierens? Ziel ist es, spezifische Kommunikationskulturen in beiden Parlamenten zu bestimmen, miteinander zu vergleichen und so auch einer westeuropäischen Demokratiegeschichte als Kommunikationsgeschichte auf die Spur zu kommen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen