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Religion, Sklaverei und "Rasse" im Zeitalter der Revolutionen: Katholizismus im kolonialen Saint-Domingue und unabhängigen Haiti (ca. 1700 – ca. 1830)

Antragstellerin Dr. Miriam Franchina
Fachliche Zuordnung Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung Förderung von 2019 bis 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 416114503
 
Das Projekt nimmt die Bedeutung des Katholizismus für afrikanische und afro-kreolische Personen im langen 18. Jahrhundert in den Blick. Dabei wird die Rolle des Katholizismus in ihrer Entwicklung von der Zeit des kolonialen Saint-Domingue (und somit v.a. für versklavte Personen) bis hin zum unabhängigen Haiti (und somit für freie Bürger) nachgezeichnet. Grundthese ist, dass die versklavten Personen den Katholizismus dafür nutzten, eine gemeinsame Identität zu entwickeln und ihr Leben zu meistern. Der Katholizismus bot ihnen ein Instrument sich des kolonialen Blickes auf sie als bloße Objekte zu widersetzen. Das Potential des Katholizismus als geeignetes Instrument zur sozialen Integration, zur Identitätskonstruktion und zur politischen Mobilisierung wird besonders im Hinblick auf die Zeit der Haitianischen Revolution (1791-1804) untersucht. Durch eine religionsgeschichtliche Einordnung in eine long durée erweitert sich unser Verständnis dieses zentralen Ereignisses. Um die gängige Sichtweise zu hinterfragen, nach der der Katholizismus von den versklavten Personen nur oberflächlich angenommen worden sei, werden neue Quellen in bisher kaum erschlossenen Kirchenarchiven in Italien und Frankreich genutzt. Die überwiegend von Europäern geschriebenen Quellen werden gewissermaßen gegen den Strich gelesen, um das Vorgehen von afrikanischen und afro-kreolischen Personen zu rekonstruieren, sich mit Hilfe des Katholizismus autonome Spielräume zu eröffnen und Spannungen zwischen kirchlichen und staatlichen Autoritäten auszunutzen. Zusätzlich werden bisher kaum genutzte Quellen aus spanischen Archiven herangezogen, um zu zeigen, wie die haitianischen Revolutionsführer ihre Verhandlungen mit der spanischen Kolonie Santo Domingo nutzten und die breite Masse auf ihre Seite zogen. Die religiösen Vorstellungen und Praktiken werden anhand von kirchlichen Berichten, Gerichtsdokumenten und der Korrespondenz der Revolutionsführer analysiert. Für die Zeit der frühen Unahängigkeit Haitis (ca. 1804-1830er) werden die o.g. Archivbestände mit der Analyse Haitianischer Zeitungen und ursprünglich für ein ausländisches Publikum verfasster Abhandlungen kombiniert, um die Rolle des Katholizismus für die nationale Identitätsbildung Haitis und für den Zweck der internationalen Anerkennung zu beleuchten. Am Beispiel des Katholizismus zeichnet das Projekt nach, wie versklavte Personen und Bürger eines gerade unabhängig gewordenen Staates sich Ideen und Praktiken auch unter extremsten Bedingungen erfolgreich aneignen konnten. Damit wird zugleich Saint Domingue/Haiti in den neueren Trend der Revolutionsforschung eingeordnet, nach dem Religion eine entscheidende mobilisierende und inspirierende Rolle für die Revolutionsbewegungen gespielt hat. Damit wird das gängige Säkularisierungsparadigma hinterfragt.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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