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Praktiken der Sorge im Wandel. Alltägliche Sorgearbeit mit Säuglingen und Kleinkindern in den langen 1970er Jahren im deutsch-deutschen Vergleich

Antragsteller Dr. Max Gawlich
Fachliche Zuordnung Allgemeine und Historische Erziehungswissenschaft
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2019 bis 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 416562950
 
Ein Rechtsanspruch auf Tagesbetreuung, Bildung in der frühen Kindheit und Betreuungsqualität sind Stichpunkte gegenwärtiger Debatten zur Kleinkindbetreuung in Krippe und Tagespflege. Sie kennzeichnen Diskurse und Praktiken, die zunächst neu erscheinen, aber wie die historische Untersuchung verdeutlicht, grundlegende Fragen aktualisieren, die bereits in den 1970er Jahren kontrovers debattiert wurden. Während die Geschichte der Kindheit in der internationalen und deutschsprachigen Historiografie zunehmend Aufmerksamkeit erfährt, bleibt die frühe Kindheit weitgehend unterbelichtet. Hier setzt das Projekt an und richtet den Untersuchungsfokus auf die Praktiken zwischen Kleinkindern und ihren BetreuerInnen. Im Zentrum des Vorhabens stehen zwei Untersuchungsgegenstände, erstens das Modellprojekt "Tagesmütter" der Bundesregierung zwischen 1974 und 1980 und zweitens die Entwicklung eines Erziehungsprogramms und der begleitenden Krippenforschung am Institut für die Hygiene des Kindes- und Jugendalters der DDR zwischen 1968 und 1985. Das Projekt untersucht dabei die These, dass der Eindruck des sozialen, ökonomischen und kulturellen Wandels der 'langen 1970er Jahre' – der Hervorbringung neuer Produktions- und Konsumverhältnisse im Strukturwandel – ebenfalls neue Sozialisationsverhältnisse ermöglichte, in welchen eine andere frühe Kindheit entstand. Die wenigen bisher vorhandenen Arbeiten richteten den Blick auf die institutionellen Formen der Betreuung, wie zum Beispiel die Geschichte der Krippe. Im vorliegenden Projekt sollen dagegen die Praktiken der Sorge untersucht werden, d. h. Handlungen und Gebärden der Pflege, der Ernährung oder des Spieles. Es verfolgt dieses Interesse mit der Frage, wie der intime Bereich des Umgangs mit Kleinkindern durch die gesellschaftliche Dynamik der 1970er Jahren in der Bundesrepublik und der DDR verändert wurde und vergleicht hierzu die beiden in ihrer Abgrenzung aufeinander bezogenen deutschen Staaten. Darüber hinaus wird auch das Konzept "Praktiken der Sorge" methodologisch-konzeptuell entwickelt. Hierzu werden mit einem Mehrmethodenan-satz heterogene Quellenformen aus den Kontexten der Untersuchungsobjekte bearbeitet. In Anlehnung an Weiterentwicklungen ethnomethodologischer und praxeologischer Überlegungen werden unter anderem die Visual History der dokumentarischen Fotografie der wissenschaftlichen Begleitforschung, die praxishistorische Rekonstruktion von Alltagshandeln, die textkritische Analyse der entwicklungspsychologischen Berichterstattung und Oral History Interviews mit Tageseltern, WissenschaftlerInnen und Eltern miteinander verknüpft. Diese Kombination gestattet es den Wandel in der alltäglichen Form der frühen Kindheit in den 1970er Jahren zu erarbeiten. Historiographische Konzeptualisierungen wie die Verwissenschaftlichung des Sozialen, der Strukturwandel und die Entstehung der post-fordistischen Gesellschaft können so in ihren Wirkungen im sozialen Nahbereich erforscht werden.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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