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Die Evolution von komplexen Textmustern: Entwicklung und Anwendung eines korpuslinguistischen Analyseverfahrens zur Erfassung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Fachliche Zuordnung Angewandte Sprachwissenschaften, Computerlinguistik
Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung Förderung von 2019 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 417702242
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Herausbildung und Entwicklung von Textsorten ist ein wesentlicher Gradmesser dafür, welche mit ihnen verbundenen kommunikativen Aufgaben in einer Gesellschaft als relevant erachtet werden; denn in Textsorten manifestieren sich musterhaft Routinen für die Bewältigung solcher wiederkehrender Aufgaben. Das Projekt hatte ausgehend von einem mehrdimensionalen Textmodell das Ziel, einen Standard-Workflow insbesondere für die historische Textanalyse zu schaffen, um eben dieser Entwicklung von Textmustern nachzugehen. Die Entstehung von Textmustern ist davon abhängig, welche Zwecke ein Text verfolgt und wie diese an sprachlichen Handlungen erkennbar werden (funktionale Dimension), welche Themen behandelt werden (thematische Dimension), wie die Beziehung zwischen Textproduzent:innern und Adressat:innen gestaltet wird (soziale Dimension) und welche Handlungen wie durchgeführt werden (stilistische Dimension). Im Zentrum standen Texte aus zwei Domänen: zum einen ein Konvolut aus 352 Werken der Erbauungsliteratur (Andachtsbücher, Gebetbücher, Leichenpredigten), zum anderen ein Zeitungskorpus, das 174 Ausgaben der Allgemeinen Zeitung aus den Jahren 1830 bis 1929 enthält. Die Texte wurden zum Teil neu digitalisiert, zum Teil aus dem Bestand des Deutschen Textarchivs (DTA) gewonnen und stehen nun im Internet zur Verfügung. Im Projekt wurde ein Close Reading ausgewählter Texte mit einer pragmatisch orientierten manuellen Annotation größerer Textmengen sowie dem Einsatz quantifizierender Methoden verknüpft. Für die manuelle Annotation von Pressetextsorten und Predigten wurden mehrfach validierte Tagsets entwickelt, die ebenso wie die manuellen Annotationen selbst der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Bei den quantifizierenden Textanalysen wurden nicht nur einschlägige Verfahren der Korpuslinguistik verwendet, sondern neuartige Zugangsweisen auf der Grundlage der TEI-Auszeichnungen zur Ermittlung von Textstrukturierungen erprobt. Ferner wurden gezielt Zugangsweisen zur Identifikation stilistischer Verfahren entwickelt. Projektergebnisse sind: a) Es gibt sprachliche Muster, die sich durch quantifizierende Verfahren gut erschließen lassen. Ergebnisse lassen sich auch hier nicht ‘per Knopfdruck’, sondern durch eine mehrfache Kalibrierung linguistischer Suchanfragen erreichen. b) Andere Muster wiederum lassen sich nur durch die manuelle Annotation ermitteln. Bei unseren Detailstudien, die im Sammelwerk “Historische Textmuster im Wandel: Neue Wege zu ihrer Erschließung” (Reihe Germanistische Linguistik, 2023) dokumentiert werden, zeigt sich, dass valide Ergebnisse zur musterhaften Realisierung einzelner Dimensionen nur durch eine enge Verzahnung qualitativer und quantifizierender Methoden zu erzielen sind. Auf Grundlage dieser Ergebnisse schlagen wir einen Standard-Workflow vor, der ebenso auf historische wie aktuelle Kommunikate angewendet werden kann. Aus den im Projekt durchgeführten Längsschnittanalysen lässt sich erkennen, dass sich der musterhafte Sprachgebrauch sowohl in erbaulichen Prosaschriften und Leichenpredigten als auch in Pressetextsorten in den betrachteten Zeiträumen erheblich wandelt. Der Wandel von Pressetextsorten verdankt sich etwa der allmählichen Herausbildung eines neuartigen Berufsbildes, was sich ebenso gänzlich veränderten Formen der Beziehungsgestaltung wie an der Präferenz für neue stilistische Muster zeigen lässt. Der Wandel im Erbauungsschrifttum wiederum spiegelt die Varianz theologischer Traditionen und Auffassungen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Art und Funktion von typographischen Mitteln zur Textgliederung in erbaulichen Textsorten des 17. Jahrhunderts. Automatische Analyse im Korpusvergleich und qualitative Einordnung. In: Franz Simmler und Galina Baeva (Hrsg.): Textgliederungsprinzipien. Ihre Kennzeichnungsformen und Funktionen vom 8. bis 18. Jahrhundert. Berlin, S. 383–410.
    Susanne Haaf
  • Differenzierungskriterien erbaulicher Textsorten des 17. Jahrhunderts. Operationalisierung von Ansätzen zu deren Beschreibung im Rahmen einer korpusbasierten Untersuchung. Vortrag im Rahmen des linguistischen Kolloquiums an der Universität Paderborn, 12. Juni 2019.
    Susanne Haaf
  • Exploring TEI structures to find distinctive features of text types. Vortrag im Rahmen der TEI Conference. Graz, 16.–20. September 2019.
    Susanne Haaf
  • Mehrdimensionale Beschreibung erbaulicher Textsorten des 17. Jahrhunderts. Jahrbuch für Germanistische Sprachgeschichte, 10(1), 324-344.
    Haaf, Susanne
  • Merkmale registrieren oder textuelle Phänomene identifizieren? Zur Vereinbarkeit von automatischer und manueller Textsortenanalyse. Poster im Rahmen der DHd-Jahrestagung „Spielräume“, März 2020, Paderborn.
    Britt-Marie Schuster, Frauke Thielert, Susanne Haaf & Christopher Georg
  • Sprachliche Muster – textliche Muster. Zu einem Wechselverhältnis und seiner Dynamik. Vortrag im Rahmen des Trier Center for Language and Communication - Lectures in Linguistics an der Universität Trier, 05. Februar 2020.
    Britt-Marie Schuster
  • Alles eine Frage des (Textsorten)Stils? – Befunde zur Entwicklung von Pressetextsorten (17.-20 Jh.). Vortrag im Rahmen der Tagung „Die Geschichte der Textsorten“, Sarajevo, 18.–20. November 2021
    Britt-Marie Schuster
  • Anleitung zur Verinnerlichung. Text, Bild und Textbild in erbaulichen Prosaschriften des 17. Jahrhunderts. Vortrag im Rahmen der Tagung „Text und Bild. Relationen und Funktionen in Texten vom 8. bis 18. Jahrhundert“, Universität Warschau, 17.– 19. Juni 2021 (virtuell).
    Susanne Haaf
  • Das deutsche Textarchiv und die korpusbasierte Analyse komplexer Textmuster. Gastvorlesung im Rahmen der Vorlesungsreihe „Digital Humanities: Grundlagen, Methoden und Reflexion in interdisziplinärer Perspektive“, 2021.
    Kirsten, Linda & Boenig, Matthias
  • Mixed Methods in Aktion. Das Projekt t.evo und die mehrdimensionale Annäherung an das Phänomen der Textsorte. Vortrag im Rahmen des Berliner DH-Kolloquiums an der BBAW (virtuell), 5. November 2021.
    Christopher Georgi, Susanne Haaf, Frauke Thielert & Linda Kirsten
  • t.evo – Ein Tagset für die sprachpragmatische Annotation historischer Pressetexte (Guidelines).
    Frauke Thielert
  • Textmuster erfassen – sprachliche Muster identifizieren. Überlegungen zu einem Wechselverhältnis am Beispiel des Kommentierens. Vortrag im Rahmen des 27. Deutschen Germanistentags an der Universität Paderborn, 25.-28. September 2022.
    Britt-Marie Schuster
  • Exploiting the liaison of TEI text structuring and att.linguistic for the study of text types. Examples for 17th c. German devotional literature. Vortrag im Rahmen des ersten virtuellen Treffens der TEI SIG for Linguists, 18. März 2023.
    Susanne Haaf
 
 

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