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Psychiatrische Unterversorgung in einem strukturschwachen Flächenland – Von einem sozialen Milieubegriff zu einer zielgruppenspezifischen Intervention. Eine interdisziplinäre Modellstudie auf regionaler versorgungsepidemiologischer Grundlage

Antragsteller Dr. Sven Speerforck
Fachliche Zuordnung Public Health, Gesundheitsbezogene Versorgungsforschung, Sozial- und Arbeitsmedizin
Empirische Sozialforschung
Klinische Psychiatrie, Psychotherapie und Kinder- und Jugendspychiatrie
Förderung Förderung von 2019 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 417704155
 
Über die Hälfte aller Menschen mit psychischen Erkrankungen In Deutschland haben nie professionelle psychiatrische Unterstützung in Anspruch genommen. Ursachen für diese psychiatrische Unterversorgung liegen neben strukturellen Aspekten in den Bereichen Wissen und Einstellungen der Betroffenen. Eine bislang kaum beforschte Determinante dieser Unterversorgung sind die Wechselwirkungen mit Werthaltungen und Lebensstilen in Bezug auf psychiatrische Versorgungsangebote an der Schnittstelle von Soziologie und Medizin.Die Möglichkeit, den sozialen Prozess der Inanspruchnahme eines psychiatrischen Angebots vor dem Hintergrund von Werten und der individuell dominierenden Lebenswelt zu verstehen, macht Konstrukte wie das soziale Milieu zu einem vielversprechenden und bislang kaum genutzten Instrument der psychiatrischen Versorgungsforschung. Die erstmalige Explikation relevanter Werte, Prinzipien und Lebensstile soll helfen, neue und dringend benötigte Alternativhypothesen zur Erklärung einer psychiatrischen Unterversorgung zu formulieren und valide Instrumente zur einfachen Erfassung von Milieuaspekten mit Relevanz für die psychiatrische Versorgung zu entwickeln, um so bestehende Theorien hierzu zu erweitern.In einer dreistufigen Vorstudie sollen soziale Milieus identifiziert werden, die ein besonders hohes Risiko psychiatrischer Unterversorgung tragen. In Stufe 1 sollen soziodemografische Determinanten einer psychiatrischen Unterversorgung in der ländlichen und strukturschwachen Modellregion Vorpommern anhand vorhandener Daten einer aktuellen epidemiologischen Erhebung bestimmt werden. In Stufe 2 sollen 2 x 20 Probanden mit depressiver Symptomatik in Bezug auf die Inanspruchnahme psychiatrischer Hilfe (Risikogruppe ohne Inanspruchnahme N = 20; Kontrollgruppe mit Inanspruchnahme N = 20) nachuntersucht werden. Mit Hilfe eines leitfadengestützten Interviews („Grounded Theory“) sollen relevante implizite und explizite Werte und Lebensstile in Bezug auf psychische Gesundheit und psychiatrische Hilfsangebote erfasst werden, um ein besseres Verständnis dieser Hochrisikopopulation zu ermöglichen. In Stufe 3 erfolgt die Synthese zu sozialen Milieubegriffen einer ländlichen Hochrisikopopulation für psychiatrische Unterversorgung.Nach itembasierter Evaluation der Milieurelevanz in etablierten Erhebungen soll eine milieuspezifische Angebotskommunikation in einer komplexen Intervention zur Verbesserung der Akzeptanz eines psychiatrischen Angebots innerhalb des betroffenen Risikomilieus überprüft werden. Ein besseres Verständnis des Einflusses sozialer Milieus ist in Anbetracht von sozialer Ungleichheit und öffentlicher Polarisierung von herausragender Bedeutung, da so bereits benachteiligte soziale Milieus noch stärker von einer Versorgung ausgeschlossen werden könnten. Eine patientenorientierte psychiatrische Versorgung als Teil der offenen Gesellschaft sollte für Menschen aller sozialen Milieus ausreichend attraktiv und möglichst „barrierefrei“ erreichbar sein.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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