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Simulated Private Autonomy – Legislative and Judicial Filling of Gaps Left by Parties

Subject Area Private Law
Term from 2019 to 2023
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 418508533
 
Final Report Year 2022

Final Report Abstract

Unvollständige Verträge sind ein allgegenwärtiges Phänomen. Das Privatrecht kennt verschiedene Mechanismen, um die Lücken eines Vertrags zu schließen. Je nach Art und Inhalt des Vertrags stehen dabei unterschiedliche Lückenschließungsansätze im Vordergrund, die in ungleicher Intensität an einen hypothetischen Willen der rechtsgeschälich Tätigen geknüpft oder von einem solchen Willen gerade entkoppelt sind. Die Voraussetzungen, Maßstäbe, Grenzen und das Rangverhältnis der Ergänzungsinstrumente sind im Einzelnen jedoch nicht konsentiert. Eine noch intensivere Lückenfüllung gegenüber der im existenten, aber unvollständig gebliebenen Vertrag bedeutet es, wenn die Rechtsordnung bei einem vollständig fehlenden Vertrag zu Rechtsfolgen gelangt, die denen entsprechen oder zumindest ähneln, die bei Vornahme eines Rechtsgeschäfts eintreten würden. Auch insoweit konkurrieren auf den hypothetischen Parteiwillen bezogene Ergänzungsmechanismen mit solchen, die von derartigen Erwägungen losgelöst sind. Mit der „simulierten Privatautonomie" führt die Untersuchung einen neuen Begriff ein, der auf ein gemeinsames Strukturmerkmal der zuvor beschriebenen Ergänzungsmechanismen aufmerksam macht. In diesen Konstellationen spricht die Rechtsordnung jeweils Rechtsfolgen aus, deren Eintritt ansonsten an den tatsächlichen Gebrauch von Privatautonomie gekoppelt ist. Die Analyse der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zeigt, dass das höchste ordentliche Gericht ein über die Vorstellungen des historischen Gesetzgebers weit hinausgehendes Verständnis der ergänzenden Auslegung zugrunde legt. Die Rechtsprechung lädt den hypothetischen Parteiwillen stark normativ auf, um heteronom-generalisierend in lückenhafte Verträge einzugreifen. Die zur Lückenfüllung herangezogenen Argumente gehen über die konkreten Parteien und deren konkrete Ziele und Interessen hinaus. Stattdessen nimmt der Bundesgerichtshof die Perspektive eines Gesetzgebers ein, zieht auch die Interessen am Vertrag nicht Beteiligter und sogar Gemeinwohlbelange mit ein und fragt, welche Regelung an dieser Stelle generell sinnvoll und angemessen ist. Der Sache nach handelt es sich um Vertragsrechtsfortbildung. An der für das Vertragsrecht zentralen Frage der Ergänzung unvollständiger Verträge kristallisiert sich das Verhältnis und Legislative und Judikative. Vorgaben dazu trifft das Grundgesetz in Form des Staatsstrukturprinzips der Gewaltenteilung und der Bindung der Gerichte an Gesetz und Recht. Zivilrechtliche Methodenfragen sind zugleich Macht- und Verfassungsfragen. Die gerichtliche Vertragsergänzung ist deshalb auf das von dem historischen Gesetzgeber vorgesehene Maß zurückzuführen und bedarf der Neujustierung. Dabei ist nicht nur auf die Wirkweise der gerichtlichen Regelbildung (konkret-individuell statt abstrakt-generell) abzustellen. Entscheidend sind vielmehr auch die bei dem Vorgang der Ergänzung herangezogenen und abgewogenen Interessen. Auf dieser Grundlage lässt sich zugleich das bislang umstrittene Rangverhältnis verschiedener Vertragsergänzungsmechanismen einer konsistenten Lösung zuführen.

 
 

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