Die Analyse von arktischen Adaptionsmechanismen auf der Basis des Genom der ausgestorbenen Stellers Seekuh
Allgemeine Genetik und funktionelle Genomforschung
Biochemie und Physiologie der Tiere
Ökologie und Biodiversität der Tiere und Ökosysteme, Organismische Interaktionen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Steller‘sche Seekuh (Hydrodamalis gigas) wurde im Jahr 1741 erstmalig durch den Deutschen Naturforscher Georg W. Steller beschrieben, und nur 27 Jahre später war diese Spezies ausgestorben. Dies ist der erste dokumentierte Fall der Ausrottung eines marinen Säugers und damit ein ikonisches Beispiel für die katastrophalen Folgen Mensch-bedingter Übernutzung von Ressourcen. Im Gegensatz zu anderen noch lebenden Sirenen, wie dem Dugong und Manatee, war die Steller‘sche Seekuh ein Kaltwasser adaptierter Giant. Sie hatte eine Länge von 10 Metern und wog ca. 10 Tonnen. Im Gegensatz zu den meisten ausgestorbenen Pleistozänen Spezies, von denen wir komplexe Phänotypen nicht mehr von deren Fossilien ableiten können, lieferte uns Steller detaillierte Angaben über das Aussehen dieser Seekuh, die nun mit genomischen Daten erklärt werden könnten. Dazu sequenzierten wir die Genome von 12 H. gigas Individuen (2 davon mit einer ~15× coverage), de novo assemblierten das Genom ihres nächsten lebenden Verwandten, dem Dugong, und analysierten die Daten anhand der Aufzeichnungen von Steller. Folgende Resultate ergaben sich aus diesen Analysen: i) Die Hautveränderungen, welche aussahen wie die Rinde einer Eiche, sind mit großer Wahrscheinlichkeit das Resultat der Inaktivierung von Lipoxygenase-Genen. Ähnliche Mutationen in Mäusen und dem Menschen führen zu einer Hautveränderung – Ichthyose – welche durch eine Hyperkeratinisierung, Verdickung und ein borkenähnliches Einreißen der Haut charakterisiert ist. Dies ist ein einzigartiges biologisches Beispiel dafür, das genetische Veränderungen in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen bei einer Spezies eine Krankheitsrelevanz (Mensch) haben und bei einer anderen eine Adaptation (Steller‘sche Seekuh) darstellen (Mismatch theory). ii) Wir identifizierten zahlreiche Gene, die in der Linie der Steller‘schen Seekuh selektiert wurde und in Verbindung zur Energie-Homöostase und dem Körpergewicht stehen. Diese korrelieren gut mit der beobachteten Speckschicht, dem saisonalen Fasten und einem Leben in einem kalten Habitat. iii) Die Linie der Steller‘schen Seekuh zeigte bereits während des Pleistozäns eine deutliche Abnahme der Populationsgröße, was darauf hindeutet, dass Änderungen der Umweltbedingungen eine signifikante Rolle beim Aussterben dieser Spezies spielten. Unsere Arbeiten an der Steller‘schen Seekuh aber auch dem Dugong leisten einen Beitrag zum Verständnis der ozeanischen Biodiversität von Säugern und helfen hoffentlich, diese durch Konservation-Programme zu schützen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Genomic basis for skin phenotype and cold adaptation in the extinct Steller’s sea cow. Science Advances, 8(5).
Le Duc, Diana; Velluva, Akhil; Cassatt-Johnstone, Molly; Olsen, Remi-Andre; Baleka, Sina; Lin, Chen-Ching; Lemke, Johannes R.; Southon, John R.; Burdin, Alexander; Wang, Ming-Shan; Grunewald, Sonja; Rosendahl, Wilfried; Joger, Ulrich; Rutschmann, Sereina; Hildebrandt, Thomas B.; Fritsch, Guido; Estes, James A.; Kelso, Janet; Dalén, Love ... & Schöneberg, Torsten
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Is it inappropriate to ask for your age? Evaluating parameter impact on tree dating in a challenging clade (Macroscelidea). Molecular Phylogenetics and Evolution, 183, 107756.
Hagemann, Justus; Hofreiter, Michael; Bibi, Faysal; Holroyd, Patricia & Arnold, Patrick
