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Von der Informalität zur Korruption, 1817-2018: Serbien und Kroatien im Vergleich (KorrInform)

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Accounting und Finance
Einzelsprachwissenschaften, Historische Linguistik
Förderung Förderung seit 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 418675522
 
Anders als noch vor 10 Jahren hat sich heute in der Korruptionsbekämpfung Pessimismus breit gemacht. Die seit den 1990er Jahren global praktizierte schematische Einführung von Institutionen und Gesetzen führt oft nicht zu dem Eindruck, dass die Korruption wirklich zurückgeht. In der Forschung wächst das Verständnis dafür, dass Korruptionskontrolle ohne entsprechenden Willen und Möglichkeiten der Gesellschaft schwierig ist. Als wenig sinnvoll erscheint auch eine Korruptionsbekämpfung, die eine Gesellschaft an externen Maßstäben misst und dabei Logik und Werte lokaler Akteure ignoriert. Gleichwohl haben sich viele Gesellschaften, meist im Zusammenhang mit der eigenen Staatsgründung, dem Aufbau verregelter Bürokratien verschrieben, deren Handeln sich an universellen, formalisierten Regeln orientieren soll; ältere, partikularistische Praktiken gelten aus der Sicht des so eingeführten formellen Systems oft als Korruption. In vielen Fällen hat sich das formelle System nur partiell durchsetzen können, so dass die Frage nach den langfristigen Gründen für die Persistenz von Informalität (welche dann oft als Korruption kritisiert wird) berechtigt ist. Dieses Projekt untersucht die Korruptionsgeschichte zweier benachbarter Territorien in Südosteuropa vergleichend und im historischen Längsschnitt. Ein ehemals osmanisches Territorium (Serbien) wird mit einem ehemals habsburgischen Territorium (Kroatien) verglichen, und das über den Zeitraum der letzten 200 Jahre. Wir versuchen, folgende Thesen zu erhärten: 1) Insgesamt hat im Untersuchungszeitraum die Regelungsdichte zugenommen. Allerdings führten tiefe historische Zäsuren wiederholt dazu, dass der Formalisierungsprozess in seiner Wirkung begrenzt blieb. 2) Beide Regionen/Länder hatten in Bezug auf Korruption recht unterschiedliche Voraussetzungen - an formelle Regeln gebundenes Handeln war in der Habsburgermonarchie stärker durchgesetzt als im späten Osmanischen Reich, wo sich Staatsmisstrauen und Informalität wechselseitig stärkten. Die gemeinsame Geschichte Serbiens und Kroatiens im 20. Jahrhundert sorgte aber dafür, dass sich beide Regionen im Bezug auf die Korruptionsproblematik anglichen und die unterschiedliche imperiale Vorprägung teilweise verblasste. Um das Forschungsfeld übersichtlich zu halten, konzentrieren wir uns auf Korruptionsskandale, in denen die Regeln korrekter Interaktion öffentlich verhandelt werden. Wir arbeiten als interdisziplinäres Team zusammen - zu zwei historischen Teilprojekten kommt ein wirtschaftswissenschaftliches, welches der im Postsozialismus drastisch gewachsenen Rolle von Business-Akteuren gerecht wird; und ein linguistisches, welches die semantischen Veränderungen des Wortfeldes "Informalität/Korruption" in der Langfristperspektive analysiert und so kontextsensibel nachzeichnet, was die betreffenden Gesellschaften unter Korruption jeweils verstanden haben bzw. heute verstehen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Großbritannien, Kroatien, Serbien
 
 

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