Innerparteiliche Prozesse in Europäischen Mehrparteienregierungen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt untersuchte drei miteinander verknüpfte Forschungsfragen. Erstens: Können wir anhand von Äußerungen einzelner Politiker:innen in sozialen Medien gültige Rückschlüsse auf das Ausmaß innerparteilicher ideologischer Konflikte ziehen? Zweitens: Welche Faktoren erklären, warum einige Parteien ideologisch homogener sind als andere? Und schließlich: Sind ideologisch heterogene Parteien während des gesamten Lebenszyklus einer demokratischen Regierung im Vorteil oder im Nachteil? Um diese Fragen zu beantworten, hat das Projekt eine Dateninfrastruktur implementiert, um über 20 Millionen individuelle Tweets von Abgeordneten in 27 europäischen parlamentarischen Demokratien im Zeitraum zwischen 2017 und 2022 zu sammeln und zu verarbeiten. Dabei wurden die folgenden zentralen Erkenntnisse gewonnen. In Bezug auf die erste Forschungsfrage deuten die Ergebnisse unserer Kreuzvalidierung mit anderen Positionsschätzungen sowohl einzelner Abgeordneter als auch aggregierter Parteien darauf hin, dass Aussagen in sozialen Medien eine Einordnung von Abgeordneten auf einem allgemeinen Links- Rechts-Kontinuum in vielen europäischen parlamentarischen Demokratien ermöglichen. Gleichzeitig stellen sie ein valides alternatives Maß für innerparteiliche Konflikte dar, insbesondere für sehr disziplinierte Parteien, bei denen namentliche Abstimmungen nur begrenzte Erkenntnisse liefern. Was die Determinanten der innerparteilichen Heterogenität betrifft, so deuten die Ergebnisse des Projekts darauf hin, dass die Fraktions- bzw. Parteiführer ideologisch gemäßigte Abgeordnete auswählen, die während der Parlamentsdebatten im Namen ihrer Partei sprechen, insbesondere in den Ländern, in denen sie den Zugang zum Plenum maßgeblich kontrollieren. Was die Folgen ideologischer Heterogenität für Mehrparteienregierungen angeht, so zeigen unsere Ergebnisse, dass ideologisch heterogene Parteien erfolgreicher sind, wenn es darum geht, Ministerien in zentralen Politikbereichen zu sichern. Schließlich zeigen die Projektergebnisse, dass Wähler:innen dazu neigen, die Positionen der Parteien falsch einzuschätzen, wenn die Parteien auf der ökonomischen Dimension heterogen sind, aber nicht unbedingt auf der soziokulturellen Dimension. Ein zusätzliches Ergebnis neben den inhaltlichen Forschungsergebnissen des Projekts ist ein umfangreicher Datensatz zu den Twitter-Aktivitäten von gewählten Abgeordneten in 27 europäischen parlamentarischen Demokratien im Zeitraum zwischen 2017 und 2022. Diese Daten sind in Übereinstimmung mit der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) der Europäischen Union (EU) und der Entwicklerrichtlinie und -vereinbarung von Twitter Inc. öffentlich zugänglich. Wir sind zuversichtlich, dass diese Daten in absehbarer Zeit weitere vergleichende Forschungen zur Kommunikation in sozialen Medien, zu politischen Eliten sowie zu Parteien und Regierungen ermöglichen werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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“Measuring Policy Positions Using 280 Characters or Less. Introducing a New Data Set on Intra-Party Preference Heterogeneity.” Paper presented at the EPSA conference 2020.
Imre, Michael
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Do party supporters accept policy compromises in coalition governments?. European Journal of Political Research, 61(1), 214-229.
PLESCIA, CAROLINA; ECKER, ALEJANDRO & MEYER, THOMAS M.
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Coalition Mood in European Parliamentary Democracies. British Journal of Political Science, 53(1), 104-121.
Imre, Michael; Ecker, Alejandro; Meyer, Thomas M. & Müller, Wolfgang C.
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Intra-party heterogeneity and voter perceptions of party positions. Electoral Studies, 83, 102623.
Imre, Michael
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Who tweets, and how freely? Evidence from an elite survey among German politicians. Research & Politics, 10(1).
Bauer, Paul C.; Ecker, Alejandro; Imre, Michael; Landesvatter, Camille & Malich, Sonja
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“Asset or liability? Intra-party heterogeneity, government formation, and the allocation of ministerial portfolios.” Paper presented at the MPSA conference 2023 and the EPSA conference 2023.
Ecker, Alejandro, Michael Imre
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Intra-party determinants of the allocation of legislative speeches. The Journal of Legislative Studies, 31(3), 740-764.
Imre, Michael & Ecker, Alejandro
