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Modellierung eines generativen episodischen Gedächtnisses
Antragsteller
Professor Dr. Laurenz Wiskott
Fachliche Zuordnung
Biologische Psychologie und Kognitive Neurowissenschaften
Kognitive, systemische und Verhaltensneurobiologie
Kognitive, systemische und Verhaltensneurobiologie
Förderung
Förderung seit 2019
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 397530566
Trotz zahlreicher experimenteller Hinweise, dass das episodische Gedächtnis generativ ist, basieren numerische Modelle fast ausschließlich auf der Annahme einer Speicherung. In diesem Projekt entwickeln wir ein generatives Modell für das Erinnern von persönlich erfahrenen Episoden, welches die Wechselwirkung zwischen Hippocampus und Neokortex beschreibt.Das Modell besteht (a) aus einem perzeptuell-semantischen Netzwerk, das hierarchisch aufgebaut ist und wahrgenommene Bilder stufenweise in eine semantischere Repräsentation überführt, und (b) einem semantischen Netzwerk, das durch Rückkoppelung in der Lage ist, unvollständige semantische Repräsentationen sinnvoll zu ergänzen. Ersteres ist durch ein ‘vector quantized variational autoencoder (VQ-VAE)’ realisiert, letzteres durch ein ‘pixel convolutional neural network (PixelCNN)’. Bei der Speicherung einer Episode wird diese durch den VQ-VAE zunächst in eine semantische Repräsentation überführt, von der dann ein Teil abgespeichert wird. Bei hoher Aufmerksamkeit wird ein großer Teil abgespeichert, bei niedriger Aufmerksamkeit nur ein kleiner. Bei der Erinnerung wird dieser Teil wieder ausgelesen und durch das PixelCNN sinnvoll vervollständigt. Der VQ-VAE kann dann rückwärts angewendet werden und aus der vollständigen semantischen Repräsentation wieder eine konkrete Episode rekonstruieren.Als Episoden verwenden wir bisher einzelne Bilder von handgeschriebenen Ziffern auf unterschiedlichen Hintergründen; die Ziffern repräsentieren Objekte in verschiedenen Varianten, die Hintergründe den Kontext, z.B. den Raum, in dem das Objekt zu finden ist. Ein Kontext kann dabei erwartet, d.h. kongruent sein, oder unerwartet, d.h. inkongruent. Wir haben mit dem Modell bereits folgende experimentelle Ergebnisse reproduziert: (i) höhere Aufmerksamkeit verbessert das episodische Gedächtnis, (ii) Objekte im kongruenten Kontext werden besser erinnert als im inkongruenten Kontext, und (iii) wenn zu einem Objekt nicht der richtige Kontext erinnert wird, dann wird in der Regel zumindest ein semantisch passender Kontext erinnert.Episodisches Gedächtnis ist nicht zuverlässig und durch viele Einflüsse veränderbar. So erinnern wir uns z.B. ungern an Situationen, die uns peinlich waren, und bringen unsere Erinnerungen gerne im Nachhinein mehr in Einklang mit dem Bild, das wir von uns selber haben. Umgekehrt beeinflussen unsere Erinnerungen natürlich auch unser Selbstbild. Es ist auch bekannt, dass unser episodisches Gedächtnis durch soziale Interaktion verändert werden kann. Insbesondere tendieren wir dazu, Erinnerungen in Einklang mit Meinungen unserer Gesprächspartner zu bringen, wenn wir uns ihnen verbunden fühlen. Diese Aspekte sind Gegenstand der weiteren Forschung an unserem Modell in Kooperation mit Philosophen, die sich über das Selbstmodell Gedanken machen, und mit Psychologen, die Experimente zu dem Einfluss sozialer Interaktion auf das Gedächtnis machen.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen
Teilprojekt zu
FOR 2812:
Szenarien der Vergangenheit: Ein neuer theoretischer Rahmen für das generative episodische Gedächtnis
Mitverantwortlich
Professor Dr. Sen Cheng