Die anthropogene Umweltkrise am Urmiasee (Iran)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Austrocknung des Urmiasees im Nordwesten Irans ist begleitet von einem fortschreitenden Umweltwandel, der sich nachteilig auf die Lebensgrundlagen der ansässigen Bevölkerung auswirkt. Zunehmende Dürreperioden, Wassermangel und Bodendegradation zusammen mit dem verstärkten Auftreten von Staubstürmen und Hitzewellen bedrohen das Leben und Wirtschaften der Menschen vor Ort und provozieren Entscheidungen über notwendige Anpassungsmaßnahmen. Hierunter fallen die Optionen zur Migration oder zum Bleiben sowie der Umgang mit der Ressource Wasser. Das Forschungsprojekt setzt sich mit der in der Wissenschaft inzwischen lebhaft diskutierten Umweltkatastrophe am Urmiasee auseinander und leistet mit seinem qualitativen und diskursanalytischen Ansatz in diesem Kontext Pionierarbeit, obgleich aufgrund der Corona-Pandemie und der politisch angespannten Lage im Iran die empirischen Arbeiten vor Ort nicht in dem ursprünglich anvisierten Maße durchgeführt werden konnten. Das zweigliedrige Projekt fokussiert zum einen die Frage nach möglichen Klima- bzw. Umweltmigrationen als Folge der Umweltkrise am Urmiasee sowie zum anderen die Kontroversen zu den Ursachen der Austrocknung und den anzustrebenden Maßnahmen zur Rettung des Urmiasees. Die Studie stellt das Narrativ von Migration als Anpassung in Frage und liefert einzigartige Belege für die Multikausalität von Mobilität und lmmobilität sowie die nuancierten Formen der lmmobilität im Kontext eines Umweltwandels und geht somit weit über die vorherrschende binäre Sichtweise von freiwilliger vs. unfreiwilliger Mobilität bzw. lmmobilität hinaus. Zum ersten Mal wurden alle in der Theorie diskutierten Formen der lmmobilität (freiwillige, duldende, unfreiwillige lmmobilität) im Rahmen einer qualitativen Fallstudie empirisch identifiziert. Ein wesentliches Ergebnis dieser Studie ist zudem das Verständnis einer "ambivalenten lmmobilität" vieler Betroffener, einer Dimension, die in der Literatur über Umwelt(im)mobilitäten bisher nicht berücksichtigt wurde. Die kritische Analyse von Sekundärliteratur und die diskurstheoretische Dekonstruktion wissenschaftlicher Publikation und politischer Strategiepapiere offenbarte verschiedene Kontroversen und zeigte das weiterhin vorherrschende Primat naturwissenschaftlicher Betrachtungsweisen und technologischer Lösungsansätze, die aufgrund eines eklatanten Mangels an empirischen sozialwissenschaftlichen Studien wenig erfolgversprechend scheinen. Das Projekt trägt zudem zur konzeptionellen Weiterentwicklung des Ansatzes des Hydrosocial Cycle bei. Varia: Ein im Verlauf der Untersuchungen vor Ort aufgenommenes Foto, das eine junge Iranerin neben einem auf die Seite gekippten rostenden Schiff auf dem ausgetrocknete Salzbett des Urmiasees zeigt, kann inzwischen als bildhafte Ikone für die Umweltkrisen des Anthropozän betrachtet werden. Dieses Foto findet Verwendung auf verschiedenen Websites und schmückt die Titelseite eines international beachteten Sammelbands zu den Environmental Humanities.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Environmental degradation at Lake Urmia (Iran): exploring the causes and their impacts on rural livelihoods. GeoJournal, 86(5), 2149-2163.
Schmidt, Matthias; Gonda, Robert & Transiskus, Sebastian
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Wasserkrise und Mobilität am Urmiasee: ein Beispiel für Trockenheit und Umweltmigra on im Globalen Süden. Geographische Rundschau, 2020(11), 28-33.
Transiskus, Sebastian
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The Vanishing of Iran’s Lake Urmia. Middle East and North Africa, 171-190. BRILL.
Schmidt, Matthias
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Umweltmigration und Immobilität am Urmiasee (Iran). In Matthias Schmidt, Hubert Zapf (Eds.): Environmental Humanities: Beiträge zur geistes- und sozialwissenschaftlichen Umweltforschung (pp. 281-316). Göttingen: V&R Unipress.
Transiskus, Sebastian
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Beyond the binary of trapped populations and voluntary immobility: A people-centered perspective on environmental change and human immobility at Lake Urmia, Iran. Global Environmental Change, 84, 102803.
Transiskus, Sebastian Fernand & Gholamzadeh, Bazarbash Monir
