Detailseite
Projekt Druckansicht

Die Domestizierung des Internets. Rekonstruktion häuslicher Aneignungsprozesse eines neuen Mediums (1997-2007).

Fachliche Zuordnung Publizistik und Kommunikationswissenschaft
Förderung Förderung von 2007 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 42205840
 
Erstellungsjahr 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Erstmals wurde für Deutschland der Domestizierungsprozess des Internets einer systematischen empirischen Untersuchung unterzogen. Durch die Kombination von Sekundäranalyse repräsentativer Daten zur Internetnutzung zwischen 1997 und 2007 mit qualitativen, ethnografisch orientierten Haushaltsstudien konnte die Internetdomestizierung sowohl auf der Mikro- als auch auf der Makroebene beleuchtet werden. Die theoretische Fundierung der Studie im Domestizierungsansatz hat erstens den Blick für die Relevanz des häuslichen Kontextes geschärft und zweitens den Fokus insbesondere auf die Momente vermehrter Teilhabe gerichtet, die aus der zunehmenden Integration des Internets in den Alltag hervorgegangen sind. Anstatt den Ausschluss bestimmter Bevölkerungsgruppen von der digitalen Medienwelt überzubetonen, ließ sich mithilfe des Domestizierungsansatzes erklären, wie die Menschen in unterschiedlichen Diffusionsphasen zum neuen Medium fanden und Impulse für eine Partizipation an der Nutzung des Internets bekamen. Die zentralen Einsichten, die auf dieser Basis gewonnen werden konnten, lauten: - Zwischen 1997 und 2007 hat sich das Internet in Deutschland von einem berufsbezogenen Elitemedium zu einem Alltagsmedium gewandelt und über soziale Grenzen hinweg für große Teile der Bevölkerung geöffnet. Entscheidender Motor dieses Prozesses ist die Domestizierung des Internets, die mit einer zunehmenden Anbindung der Technologie an das Häusliche einhergeht. - Die im häuslichen Alltag integrierten Aneignungsprozesse haben entscheidend zu einer vermehrten Teilhabe am Internet beigetragen und sind allgemein für die Diffusion neuer Medientechnologien von zentraler Bedeutung. - Der häusliche Alltag stellt zugleich ein soziales Feld dar, auf dem Ungleichheiten reproduziert werden, wie insbesondere anhand der geschlechtsspezifischen Aneignungsweisen deutlich geworden ist. - Trotz der gewachsenen Alltagskontextuierung des Internets ist dessen technische Rahmung weiterhin signifikant, weshalb sich das Medium noch nicht ähnlich unproblematisch in den Alltag integrieren lässt, wie dies beim Fernsehen oder Radio der Fall ist. Die nachgewiesen hohe Bedeutung von befreundeten Hobby-Experten, die bei der Installation von Zusatzkomponenten oder bei der Behebung von computer- und internetbezogenen Problemen behilflich sind, spricht dafür, dass die Unternehmen (Computerfirmen, Onlineanbieter etc.) diesem Bedarf nicht ausreichend gerecht werden. Hier liegt nach unseren Erkenntnissen aktuell das größte Hindernis für mehr Teilhabe und für die weitere Alltagsintegration des Internets. - Eine intensivere Alltagsintegration des Internet lässt die Neuverhandlung räumlichkommunikativer Arrangements relevant werden, da die durch Onlinemedien diversifiziertere Mediennutzung innerhalb des Zuhauses mit einer zunehmenden Fragmentierung des Zusammenlebens einhergeht; diesen Tendenzen wird teilweise durch eine bewusste Konstitution medieninduzierter Gemeinschaft auf symbolischer oder situativer Ebene entgegengewirkt. Insbesondere der letzte Punkt verweist auf einen Wandel häuslicher Alltagskulturen, der derzeit in vollem Gang ist und sich künftig noch weiter entfalten und ausdifferenzieren wird. Durch den Einzug digitaler Medien in das Häusliche scheinen sich aktuell Muster des Zusammenlebens zu verändern, die über Jahre Bestand hatten. Im Zuge kommunikativer Aushandlungsprozesse finden die Menschen neue Wege, ihren häuslichen Alltag mit Medien auf spezifische Weise auszugestalten, sei es in räumlicher, zeitlicher oder gemeinschaftsbezogener Hinsicht. Diese Entwicklungen sind als Teil eines übergreifenden Metaprozesses der Mediatisierung anzusehen, der künftig auf verschiedenen Ebenen noch weiter zu erforschen ist.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2007): Der Domestizierungsansatz und seine Potenziale zur Analyse alltäglichen Medienhandelns. In: Dies. (Hg.): MedienAlltag. Domestizierungsprozesse alter und neuer Medien. Wiesbaden: VS, 15-30
    Röser, Jutta
  • (2009): David Morley: Aneignung, Ethnographie und die Politik des Wohnzimmers. In: Hepp, Andreas/Krotz, Friedrich/Thomas, Tanja (Hg.): Schlüsselwerke der Cultural Studies. Wiesbaden: VS, 277-289
    Röser, Jutta
  • (2010): Den Alltag auffällig machen. Impulse für die Medienkommunikationsforschung. In: Röser, Jutta/Thomas, Tanja/Peil, Corinna (Hg.): Alltag in den Medien – Medien im Alltag. Wiesbaden: VS, 7-21
    Röser, Jutta/Thomas, Tanja/Peil, Corinna
  • (2010): Diffusion und Teilhabe durch Domestizierung. Zugänge zum Internet im Wandel 1997-2007. In: Medien & Kommunikationswissenschaft 58, Nr. 4, 481-502
    Röser, Jutta Röser/Peil, Corinna
  • (2010): Räumliche Arrangements zwischen Fragmentierung und Gemeinschaft: Internetnutzung im häuslichen Alltag. In: Röser, Jutta/Thomas, Tanja/Peil, Corinna (Hg.): Alltag in den Medien – Medien im Alltag. Wiesbaden: VS, 220-241
    Röser, Jutta/Peil, Corinna
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung