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Fraktalität und die Dynamik jüdischer Lebensformen im Süden des Alten Reichs im 17. und 18. Jahrhundert
Antragstellerinnen
Professorin Dr. Michaela Schmölz-Häberlein; Professorin Dr. Sabine Ullmann
Fachliche Zuordnung
Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung
Förderung von 2020 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 422408615
Obwohl sich die Forschungen zur deutsch-jüdischen Geschichte für das 17. und 18. Jahrhundert in den letzten beiden Jahrzehnten intensiviert haben, sind zentrale Merkmale jüdischer Existenz noch nicht ausreichend erklärt und begründet: Dies ist zum einen die frappierend hohe Dichte jüdischer Siedlungen in politischen Landschaften mit kleinräumigen Herrschaftsstrukturen; zum anderen die komplexe Verflochtenheit des jüdischen Schutzstatus zwischen gemeindlicher, landesherrlicher und kaiserlicher Ebene; zum dritten die Ambivalenzen der lokalen Koexistenz von Juden und Christen, die einerseits ähnliche soziale Praktiken der Abgrenzung und Interaktion wie in gemischtkonfessionellen Gesellschaften zeigen, andererseits aber deutliche Unterschiede dazu aufweisen. Ziel des Projekts ist es erstmals einen umfassenden Erklärungsansatz für die Traditionen jüdischer Siedlungsweise in bestimmten Regionen des Reiches zu liefern und diese räumlichen Ausprägungen mit den sozialen Praktiken der jüdischen Akteure in Beziehung zu setzen. Den Ausgangspunkt bildet dabei die Annahme, dass eine Wechselwirkung zwischen komplexen territorialpolitischen Raumstrukturen, der daraus erwachsenden Vielschichtigkeit obrigkeitlicher Schutzverhältnisse über die Juden und einer dynamisierten sozialen Praxis der jüdischen Minderheit besteht, die sich insbesondere in leistungsstarken Netzwerken der jüdischen Elite zeigte.Konzeptionell greift das Projekt auf das jüngst von Falk Bretschneider und Christophe Duhamelle in die Reichsgeschichtsforschung eingeführte mathematische Modell des Fraktals zurück, das den Zusammenhang von sozialen Handlungslogiken und räumlichen Logiken innerhalb komplexer Strukturen fokussiert. Im Mittelpunkt des Projekts steht dabei die Frage, wie die bevorzugte Existenz von Juden in diesen Räumen zu erklären ist und auf welche Weise die jüdischen Akteure ihre Netzwerke darin ausrichteten und durch ihr Handeln die Eigenlogiken dieser Räume mittrugen. Das Modell der Fraktalität betont weiterhin die grundsätzliche Relevanz von Grenzen in fraktalen Strukturen und eröffnet damit systematische Erkenntnisperspektiven zu sozialen Praktiken religiöser Grenzziehung bzw. deren Überschreitung, wie sie für die jüdisch-christliche Koexistenz prägend waren.Um die Untersuchungsergebnisse auf eine breite empirische Basis zu stellen, wird über drei Fallanalysen ein typologischer Vergleich verschiedener Herrschaftsräume vorgenommen, die Juden bevorzugt Schutz gewährten: der Kondominatsort Fürth, die reichsritterschaftliche Herrschaft Mitwitz und das Herrschaftsgebiet des Deutschen Ordens in der Ballei Franken und im Meistertum Mergentheim. Die Ergebnisse der drei Teilprojekte werden in Form von drei Monographien (Dissertationen) publiziert. Darüber hinaus werden die prosopographischen Einzelbefunde aus den Teilprojekten in Form einer Online-Datenbank verknüpft, um so die Netzwerke der jüdischen Eliten offenzulegen und die Daten für weitere Forschungen zur Verfügung zu stellen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen