Quellen- und Netzwerkanalysen fokaler epileptischer Aktivität im Schlaf
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Während meiner Förderungszeit habe ich mich zunächst mit der Lokalisierung epileptischer Aktivität im Gehirn beschäftigt: Bei Menschen mit Epilepsie wurden mit hochauflösender Elektroenzephalographie (EEG) epilepsietypische Entladungen („Spikes“) aufgezeichnet. Später unterzogen sich die Patient:innen einer chirurgischen Entfernung des Anfallsfokus. Die Quellen der Spikes habe ich mit speziellen Computeralgorithmen in einem 3D-Modell des Gehirns lokalisiert und mit dem Operationsgebiet verglichen. Dabei zeigte sich, dass über Gesicht und Nacken liegende Elektroden des hochauflösenden EEG-Elektrodensatzes die Quellenlokalisation von Spikes nicht unbedingt verbessern, sondern im Gegenteil sogar verschlechtern können. Je nach eingesetztem Computermodell kann das Signal dieser Elektroden offenbar nicht adäquat rekonstruiert werden. Außerdem habe ich die Zuverlässigkeit von sechs sogenannten Rückwärtsalgorithmen für die EEG-Quellenlokalisation von Spikes verglichen. Zwei davon führten zu einer besonders hohen Lokalisationsgenauigkeit. In Computersimulationen konnten wir zeigen, dass dies auf einer besonderen Robustheit der beiden Algorithmen gegenüber biologischem und technischem Rauschen beruht. Rauschen entsteht im Gehirn als Hintergrundaktivität bzw. bei der technischen Aufzeichnung und ist quasi nicht zu vermeiden. Das Projekt hatte aufgrund technischer Schwierigkeiten einen vielfach größeren Teil meiner Forschungszeit in Anspruch genommen als erwartet. Der den Arbeiten zugrundeliegende klinische Datensatz wird in anonymisierter Form der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, damit andere die Ergebnisse ihrer jeweiligen Methoden mit denen der von mir verwandten Methodik vergleichen können. In einem ähnlich gelagerten, zweiten Projekt habe ich die Zuverlässigkeit einer automatisierten Erkennung und Quellenlokalisation von Spikes im hochauflösenden EEG untersucht. Ähnliche Validierungen waren bisher nur bei niedrigauflösendem EEG durchgeführt worden. Bei drei Vierteln der untersuchten Patient:innen wurden Hunderte von Spikes detektiert. Die diagnostische Genauigkeit zwischen hoch- und niedrigauflösendem EEG war etwa gleich hoch. Dies deutet an, dass niedrigauflösendes EEG für die Quellenlokalisation ausreichen kann, solange große Zahlen an Spikes zur Verfügung stehen. Mein drittes und eigentliches Projekt zur Analyse von Quellen und Netzwerken epileptischer Aktivität im Schlaf wurde durch die Arbeit an den ersten beiden Projekten sowie durch die unerwartet hereinbrechende Corona-Pandemie und den Weggang meiner wichtigsten Kollegin aus der Arbeitsgruppe verzögert. Zudem musste ich feststellen, dass ich für diese komplexen Untersuchungen viel Unterstützung meiner nicht-klinischen Kolleg:innen benötige. Ich habe hochauflösendes EEG von Personen mit Schläfenlappen-Epilepsie und von gesunden Kontrollpersonen im Schlaf und im Wachen prozessiert, zudem niedrigauflösendes EEG von über 100 Menschen mit fokaler Epilepsie. Die Auswertungen sollen bis Anfang 2022 abgeschlossen sein.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- High-density Electric Source Imaging of interictal epileptic discharges: How many electrodes and which time point? Clinical Neurophysiology 2020;131(12):2795-2803
Bernd J. Vorderwülbecke, Margherita Carboni, Sebastien Tourbier, Denis Brunet, Martin Seeber, Laurent Spinelli, Margitta Seeck, Serge Vulliémoz
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.clinph.2020.09.018) - Ictal EEG source localization in focal epilepsy: Review and future perspectives. Clinical Neurophysiology 2020;131(11):2600-2616
Pieter van Mierlo, Bernd J. Vorderwülbecke, Willeke Staljanssens, Margitta Seeck, Serge Vulliémoz
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.clinph.2020.08.001)