Detailseite
Politische Gewalt in der Bundesrepublik. Bewegung 2. Juni − Revolutionäre Zellen/Rote Zora − Rote und Schwarze Hilfen
Antragstellerin
Professorin Dr. Margit Szöllösi-Janze
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2019 bis 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 422610710
Das Projekt untersucht drei Gruppierungen der “Neuen Linken”, die bislang medial wie wissenschaftlich im Schatten der RAF standen. Das Teilprojekt zur Bewegung 2. Juni konnte im November 2021 erfolgreich abgeschlossen werden; für die beiden verbleibenden Vorhaben wird ein Fortsetzungsantrag gestellt.Es hat sich erwiesen, dass die Geschichte der Revolutionären Zellen (RZ) als sozialrevolutionärer Zusammenhang in Westberlin bzw. der Roten und Schwarzen Hilfen (RSH) als Solidaritätsorganisationen (in Westberlin, München, Frankfurt a.M., Hamburg, Köln) auf Basis bislang unbekannter, teils unerschlossener Quellen neu und anders geschrieben werden muss. Die Teilprojekte stellen den bislang vernachlässigten Praxisaspekt analytisch ins Zentrum. Sie können zeigen, dass politische Gewalt bzw. deren Unterstützung nur einen Teil eines viel breiteren Handlungsrepertoires darstellte. Daneben finden sich, örtlich wie im Zeitverlauf schwankend, viele weitere kommunikative und solidarische Praktiken (bspw. Herausgabe eigener Zeitungen, Beratungsangebote, gefälschte Fahrkarten oder Hausbesetzungen für Angehörige der “Randgruppen”), die auf transnationale wie historische Transferprozesse zurückgingen. Sowohl die RZ als auch die RSH bezogen sich zunächst auf die historischen Erfahrungen und Praktiken der internationalen Arbeiter:innenbewegung, der studentisch geprägten Proteste um 1968 sowie der daraus hervorgegangenen Ansätze von Stadtguerilla und Betriebsarbeit. Zudem entwickelten sie diese Praktiken im Austausch mit (anderen) bewaffneten Gruppierungen wie der Bewegung 2. Juni, dem urbanen linksalternativen Milieu wie den Gruppen der “undogmatischen” Linken und Neuen Sozialen Bewegungen wie den Hausbesetzer:innen weiter. Die Auswahl insbesondere militanter Aktionsformen hing von den jeweiligen Zielgruppen ab: Eine Solidarisierung mit der Arbeiter:innenschaft erforderte andere Praktiken als eine Mobilisierung der Autonomen.Aus den Quellen, die pandemiebedingt unter erschwerten Bedingungen in den Archiven ausgewertet wurden, lassen sich neue personelle, thematische und praxeologische Verbindungslinien von der APO hin zu den Neuen Sozialen Bewegungen festmachen, die den bisherigen Forschungsstand erweitern. Beide Teilprojekte rekonstruieren damit die Geschichte der RZ und der RSH in ihren historischen, sozialen, räumlichen und diskursiven Kontexten neu. Dadurch können über die Spezifika der jeweiligen lokalen Gruppierungen hinaus überregionale wie transnationale Verflechtungen ausgemacht und Wendepunkte in der Geschichte linker Bewegungen erklärt werden. Um diese Erkenntnisse auf eine breitere empirische Basis zu stellen und das analytische Potenzial der Untersuchungen voll auszuschöpfen, ist eine Verlängerung des Förderzeitraums essentiell.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen