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Implicit biases und nach vorne gerichtete Verantwortung

Antragsteller Dr. René Baston
Fachliche Zuordnung Praktische Philosophie
Theoretische Philosophie
Förderung Förderung von 2019 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 423200030
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ist es gerechtfertigt Personen für unbewusstes diskriminierendes Verhalten moralisch verantwortlich zu machen, wenn dieses Verhalten auf impliziten kognitiven Verzerrungen basierte? Daphne Brandenburg hat den Nurturing Stance als eine Ergänzung zur Auffassung Strawsons entwickelt, welche die Praxis der moralischen Verantwortung unterteilt in einen vollumfänglichen interpersonalen Umgang und einen distanzierten Umgang. Der Nurturing Stance ist ebenfalls ein regulärer Teil unserer Praxis der moralischen Verantwortung und hat Aspekte von retrospektiven als auch prospektiven Verantwortungskonzeptionen. Wenn man vom Nurturing Stance ausgeht, dann ist es gerechtfertigt Personen für unbewusste Diskriminierung verantwortlich zu machen, wenn das Verhalten durch eine beeinträchtigte Fähigkeit bedingt ist (auch wenn die Personen nicht vollumfänglich schuldig sind). Einige Bedingungen müssen erfüllt sein, damit man gerechtfertigt Personen mittels des Nurturing Stance zur Verantwortung ziehen kann: Erstens, die Person soll nicht für die Tat verantwortlich gemacht werden, sondern dafür, dass sie so wenig Einsatz zeigt, die beeinträchtigte Fähigkeit zu korrigieren. Zweitens, die Person darf weder direkt noch indirekt für die beeinträchtigte Fähigkeit verantwortlich sein. Drittens, die Person darf keine interne Motivation haben ihre Vorurteile zu kontrollieren. Viertens, die Person darf nicht als vollumfänglich schuldig betrachtet werden. Fünftens, die Person kann angemessen auf die Schuldzuweisung reagieren und einen echten Verantwortungsaustausch ermöglichen. Die fünfte Bedingung verdient besondere Aufmerksamkeit. Empirische Studien zeigen, dass Personen ihr Verhalten in Zukunft gründlicher prüfen, wenn ihnen Verantwortung für diskriminierendes Verhalten zugeschrieben wird. Wenn die Schuldzuweisung derartig geschieht, dass der Person Autonomie und Kompetenz zugestanden wird, dann kann dies dazu beitragen, die interne Motivation vorurteilsfrei zu sein zu stärken. Diese Motivation trägt dazu bei, dass implizite Vorurteile weniger Einfluss auf das Verhalten haben. Dementsprechend trägt Schuldzuweisung dazu bei, dass die Person ihre Fähigkeit zur Selbstkontrolle entwickelt. Dies eröffnet allerdings eine Frage: Wie ist es möglich, dass Personen mehr Kontrolle über Einflüsse erlangen, die unbewusst sind. Proaktive Strategien der Selbstkontrolle können erklären, wie Personen ihr Verhalten von unbewussten psychologischen Einflüssen abschirmen können. Sie entkräften eine Vorstellung von Verhaltenskontrolle, wonach eine Person einen Konflikt zwischen mentalen Zuständen und Verhalten bewusst entdecken muss. Wenn Personen proaktiv ein Ziel im Bewusstsein dauerhaft repräsentieren, hat dies Effekte auf die Aufmerksamkeit. Studien zeigen, dass dadurch auch unbewusste psychologische Effekte ausgeschaltet werden können, auch wenn Probanden die Effekte nicht kennen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2020). Unintentional Trolling: How Subjects Express Their Prejudices Through Made-up Stories. Philosophy & Technology
    Baston, René, & Kenyah-Damptey, Benedict
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s13347-020-00425-4)
  • Proactive control and agency. Phenomenology and the Cognitive Sciences, 2022.
    Baston, R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s11097-022-09830-w)
  • The Nurturing Stance, Moral Responsibility, and the (Implicit) Bias Blind Spot. Journal of the American Philosophical Association , First View , pp. 1 - 20
    Baston, R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1017/apa.2021.45)
 
 

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