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Soziales Bewusstsein („social minds“) im antiken griechischen Roman und in der antiken griechischen Historiographie der Kaiserzeit: Untersuchungen zu Chariton und Herodian
Antragsteller
Dr. Chrysanthos Chrysanthou
Fachliche Zuordnung
Griechische und Lateinische Philologie
Förderung
Förderung von 2019 bis 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 423347538
Im Mittelpunkt narratologisch ausgerichteter Untersuchungen der antiken griechischen Literatur standen bisher Aspekte literarischer Texte wie Stimme (wer in einem Text spricht), Zeit (die zeitliche Ordnung, Dauer und Frequenz von Ereignissen), Raum (das Setting der Handlung), Charakterisierung (die Darstellung von literarischen Figuren) und Fokalisierung (die Perspektive, aus der Ereignisse erzählt werden). Die Darstellung von fiktionalem Bewusstsein („fictional minds“) von Figuren—d.h. von Aspekten ihres Innenlebens wie Kognition, Wahrnehmung, Haltungen, Gefühle, Überzeugungen und Emotionen—wurde dagegen kaum berücksichtigt. Das hiermit erstmalig beantragte Projekt verfolgt das Ziel, diese Lücke durch eine monographische Untersuchung der (Re-)Präsentation und Funktion(en) von sozialem und kollektivem Bewusstsein in der griechischen Literatur der Kaiserzeit auszufüllen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Interaktion von Bewusstseinsprozessen von Figuren in der antiken griechischen Historiographie und im antiken griechischen Roman der Kaiserzeit, insbesondere auf ihrer Fähigkeit, die mentalen Zustände anderer Figuren zu erfassen, auf den Vorgängen, die sich bei der Anwendung dieser Fähigkeit abspielen, und auf dem Zusammenwirken von Bewusstseinsvorgängen mehrerer Figuren. Die geplante Arbeit wird aus zwei detaillierten Fallstudien bestehen (Charitons Kallirhoe und Herodians Darstellung der Kaisergeschichte nach Marc Aurel). Im Fokus werden nicht nur die spezifischen narrativen Techniken stehen, die von Erzählern genutzt werden, um das Innenleben von Figuren als externalisiert, sozial und gemeinschaftlich darzustellen, sondern auch die Rolle von sozialer und kollektiver Kognition für die Handlungsentwicklung und die Konstruktion literarischer Figuren. Dabei wird es auch um die Frage gehen, inwiefern sich anhand der untersuchten Texte gerade im Bereich der Bewusstseinsdarstellung Gattungsunterschiede erkennen lassen. Die Studie wird somit auch einen Beitrag zur Erforschung des Verhältnisses von fiktionalem und nicht-fiktionalem Erzählen in der Antike leisten. Schließlich sollen Konzeptionen von Individualität und Kollektivität, Persönlichkeit und Selbstverständnis in der Kaiserzeit im Zusammenhang mit den Ergebnissen der Fallstudien untersucht werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen