Traveling Theories: Die Geschichte der Anthropologie in der Türkei (1850-1950)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Vorhaben befasst sich kritisch mit der Geschichte der Anthropologie in der Türkei zwischen 1850 und 1950. Die Anthropologie in der Türkei zeichnet sich durch einen besonderen Eklektizismus aus: Sie kombiniert evolutionäre, nationalistische und moderne Paradigmen und formt sie zu einer komplexen nichtwestlichen anthropologischen Tradition. Im Kontext dieses Vorhabens ist Anthropologie als Sammelbegriff zu verstehen, der neben der Disziplin Anthropologie auch die Disziplinen der Volkskunde und Ethnologie bezeichnet. Die sich herausbildende Landschaft der Anthropologie und ihre Besonderheiten werden in der Türkei geprägt durch Projekte der Nationalstaatsbildung, spezifische intellektuelle Konfigurationen und politische Konstellationen. Der Eklektizismus der Anthropologie in der Türkei geht unter anderem zurück auf den soziokulturellen Wandel, der sich im ausgehenden osmanischen Reich und in der frühen türkischen Republik in den politischen und kulturellen Eliten der Zeit vollzieht. Bislang ist die türkische Anthropologie im Rahmen der Geschichtsschreibung der anthropologischen Disziplinen aus zwei Gründen weitestgehend übersehen worden. Zum einen vermochte die hegemoniale westliche Theorie und Praxis "andere" Anthropologien zu vernachlässigen. Die Türkei wurde damals epistemologisch nur als "anthropologisches Forschungsfeld" betrachtet, in dem lediglich ethnographische Befunde erhoben werden konnten. Die Türkei galt nicht als Ort eigenständiger anthropologischer Wissensproduktion. Zum anderen hatten türkische Anthropologen selber Anteil an dieser Unsichtbarkeit. Sie versäumten, die Einzigartigkeit ihrer disziplinären Entwicklung zu erkennen und sich in positiver Weise auf die daraus folgenden Besonderheiten zu beziehen. Um diesen Facetten der Unsichtbarkeit türkischer Anthropologie Rechnung zu tragen, nimmt das Vorhaben die analytische Perspektive der "world anthropologies" ein. Dieser Ansatz betont in Bezugnahme auf postkoloniale Theorien die ungleiche Verteilung von Macht als Bedingung für die ungleiche Entwicklung der Anthropologien in unterschiedlichen nationalen Kontexten. Vor diesem Hintergrund vermag das Projekt die Eigenständigkeit der Traditionen in Forschung und Lehre in der türkischen Anthropologie zur Geltung bringen. Eine zentrale Annahme ist hierbei, dass die türkische Anthropologie gerade durch "traveling theory" (Said 1982, 1994) florierte. Hierbei verhandelte die türkische Anthropologie seit den 1850ern verschiedene europäische ethnologische Traditionen und modifizierte sie in kreativer Weise. Durch die originäre Perspektive auf die dynamische anthropologische Tradition in der Türkei trägt das Vorhaben zu einer dezentrierten anthropologischen Geschichtsschreibung bei. Anhand von fünf prägenden Momenten in der Fachgeschichte der türkischen Anthropologie arbeitet das Vorhaben die Übergänge und Umbrüche in den Bedeutungen und Verwendungen zentraler Begriffe der Disziplin heraus, wie beispielsweise Rasse, Volk und Nation.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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”Orientalism alla Turca”: Evolutionary Desires, Imperial Nostalgias, and Western Anxieties in Ahmed Midhat’s Avrupa’da Bir Cevelân. October 4, 2021.
Hande Birkalan-Gedik
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Disiplinler ve Post-Disipliner Tarihçeler: Kuram, Çeviri ve Kültürlerötesilik. Uluslararasi Kibris Universitesi Fen-Edebiyat Fakultesi.
Birkalan-Gedik, Hande
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Eugène Pittard, Bayan Afet and Others:. Fabrics of Anthropological Knowledge, 38-67. Berghahn Books.
Birkalan-Gedik, Hande
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Traveling Theories and the Making of Post-Disciplinary Histories: Translation, Theorists, Theories and Concepts. Journal of Folklore Research, 62(1-2), 1-27.
Birkalan-Gedik, Hande
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Traveling Theories, Traveling Theorists: Seniha Tunakan, “die kleine Türkin” at the KWI-A at Ihnestraße 22–24 and at Ankara University. Journal of Folklore Research, 62(1-2), 137-169.
Birkalan-Gedik, Hande
