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Multisensorische Integration, Rekalibrierung und die Reduktion von cross-modalen perzeptuellen Diskrepanzen
Antragsteller
Professor Dr. Christoph Kayser
Fachliche Zuordnung
Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung
Förderung von 2019 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 425795980
Wir nehmen unsere Umwelt durch die Kombination der Eindrücke verschiedener Sinnesorgane wahr. Oft stimmt die Information der einzelnen Sinne nicht genau überein, und unser Gehirn muss die diskrepante Information zu einer kohärenten und einheitlichen Wahrnehmung verarbeiten. Wenn beispielsweise akustische und visuelle Reize an verschiedenen Positionen dargeboten werden, oder wenn eine Handbewegung an einer anderen Position endet als sie gesehen wird, unterliegt unsere Wahrnehmung einem systematischen Fehler (Bias): die wahrgenommene Position eines Reizes unterscheidet sich dann von der physischen Position oder von der Position, an der ein allein dargebotener Reiz wahrgenommen würde. Ein solcher systematischer Fehler kann durch gleichzeitige diskrepante multimodale Information entstehen; ein Prozess, den man als multisensorische Integration bezeichnet. Er kann aber auch dadurch entstehen, dass sich das Nervensystem an eine dauerhafte Diskrepanz zwischen multimodalen Reizen anpasst; dieser Prozess wird als sensorische Rekalibrierung bezeichnet. Obwohl diese zwei Prozesse typischerweise auf verschiedenen Zeitskalen untersucht werden, sind beide zentral für die Fähigkeit unseres Gehirns, mit Diskrepanzen in der sensorischen Information umzugehen. Mit der beantragten Sachbeihilfe wollen wir die Mechanismen der Integration und sensorischen Rekalibrierung untersuchen und ihr Zusammenwirken bei der Ausformung unserer Wahrnehmung verstehen. Dabei konzentrieren wir uns auf zwei experimentelle Paradigmen, so dass wir Ergebnisse, die über Sinnessysteme und Aufgaben hinweg generalisieren, von paradigmen-spezifischen Ergebnissen unterscheiden können. Wir untersuchen eine passive akustisch-visuelle Wahrnehmungsaufgabe sowie eine visuo-motorische Aufgabe, bei der Probanden gezielte Handbewegungen mit visuellen Rückmeldungen ausführen. Dabei konzentrieren wir uns auf drei durch vorliegende Ergebnisse und Theorien motivierte Hypothesen, welche wir jeweils in einer Reihe von Experimenten testen: i) beide Prozesse – Integration und Rekalibrierung - werden in gleichartiger Weise durch die Annahme des Beobachters beeinflusst, dass die bimodalen Sinnesreize einen gemeinsamen Ursprung haben; ii) beide Prozesse werden in gleichartiger Weise durch die relative Zuverlässigkeit der beiden Modalitäten beeinflusst; iii) Integration und Rekalibrierung verarbeiten intermodale Diskrepanzen auf verschiedenen Zeitskalen, wirken aber zusammen, um gemeinsam für eine kohärente Wahrnehmung zu sorgen. Ein Verständnis des Zusammenspiels von Integration und Rekalibrierung ist grundlegend um zu verstehen, wie sich unser Gehirn flexibel an die dynamische und unberechenbare Sinnesinformation in lebensnahen Szenarien anpasst. Diese Erkenntnisse wiederum sind unabdingbar, um die zu Grunde liegenden neuronalen Mechanismen zu verstehen, sowie die Wirkungen komplexer multisensorischer Reizsituationen auf die Wahrnehmung von Personen mit sensorischen oder kognitiven Defiziten.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Mitverantwortlich
Professor Dr. Herbert Heuer