Virale Orchitis - Fakt oder Fiktion?

• Antragsteller: Professor Dr. Adrian Pilatz
• Fachliche Zuordnung: Reproduktionsmedizin, Urologie ; Virologie
• Förderung: Förderung von 2019 bis 2022
• Projektkennung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 425976748

• Erstellungsjahr: 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Bei der Orchitis handelt es sich um eine Entzündung von einem oder beiden Hoden. Während die chronische Entzündung typischerweise eine histologische Diagnose im Rahmen einer Hodenbiopsie bei unerfülltem Kinderwunsch ist, geht die akute Orchitis mit einer schmerzhaften Schwellung der betroffenen Hoden einher. Diese betrifft ca. 15 pro 100.000 Männer und Jahr und ist damit ungefähr so häufig wie Hodenkrebs. Obwohl verschiedene Viren als Ursache der akuten Orchitis beschrieben wurden, ist unklar wie häufig Viren bei der akuten Orchitis zu finden sind und welche Viren eine Rolle spielen. Weiterhin ist unbekannt wie der klinische Erkrankungsverlauf ist und welche Auswirkungen sich auf die männliche Fruchtbarkeit ergeben. Deshalb wurde im Jahr 2007 eine fortlaufende Studie begonnen, um die akute Orchitis zu entschlüsseln. Zwischen Juli 2007 und Februar 2023 konnten 26 Patienten mit akuter Orchitis betreut und mit 530 Männern verglichen werden, die an einer Nebenhodenentzündung erkrankt waren, welche in der Regel durch eine Harnwegsinfektionen mit Bakterien ausgelöst wird. Die durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass 1.) die akute Orchitis typischerweise durch Viren hervorgerufen wird (20/26, 77%) und Enteroviren mit der Gruppe der Coxsackie-Viren der häufigste Typ sind (16/26, 62%), 2.) die im Ejakulat gefunden Viren vollständig funktionsfähig sind, 3.) eine molekularbiologische Diagnostik auf Enteroviren bzw. Coxsackie-Viren im Ejakulat erfolgen muss, weil die Viren in Blut/Urin nicht nachweisbar sind, 4.) die akute Orchitis typsicherweise im Sommer auftritt, 5.) die akute Orchitis ein spezifisches Entzündungsprofil im Ejakulat hervorruft, 6.) die Erkrankungssymptome schnell von alleine rückläufig sind und 7.) ungefähr 30% der Patienten (6/20) eine anhaltende verminderte Spermienanzahl im Ejakulat aufweisen (Oligozoospermie). Diese Erkenntnisse werden das Denken und die klinische Praxis in Bezug auf die akute isolierte Orchitis grundlegend verändern. Insbesondere muss bei Patienten mit akuter Orchitis nach Besserung der Schmerzsymptomatik eine frühzeitige Samenabgabe erfolgen, damit die virologische Diagnostik auf Enteroviren erfolgen kann, um die Ursache der akuten Orchitis zu klären.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

• Virusinfektionen in der Urologie. Der Urologe, 60(9), 1150-1158.
  Magistro, G.; Pilatz, A.; Schneede, P.; Schneidewind, L. & Wagenlehner, F.
  
• Acute orchitis deciphered: Coxsackievirus B strains are the main etiology and their presence in semen is associated with acute inflammation and risk of persistent oligozoospermia. Journal of Medical Virology, 95(7).
  Pilatz, Adrian; Arneth, Borros; Kaiser, Rolf; Heger, Eva; Pirkl, Martin; Böttcher, Sindy; Fritzenwanker, Moritz; Renz, Harald; Mankertz, Annette; Schuppe, Hans‐Christian & Wagenlehner, Florian
  
• Comprehensive evaluation of hematospermia in patients with acute epididymitis compared to patients with isolated hematospermia. Andrology, 12(5), 1001-1011.
  Dittmar, Florian; Rosellen, Jens; Reiser, Leo; Fritzenwanker, Moritz; Hauptmann, Arne; Diemer, Thorsten; Schuppe, Hans‐Christian; Wagenlehner, Florian & Pilatz, Adrian