Detailseite
Projekt Druckansicht

Die Atmosphärischen Welten des Kinos

Antragsteller Dr. Steffen Hven
Fachliche Zuordnung Theater- und Medienwissenschaften
Förderung Förderung von 2019 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 426167528
 
Zu den attraktivsten Merkmalen des Kinos zählt unbestreitbar die Eigenschaft, den Zuschauer in atmosphärische oder affektiv gestimmte Welten eintauchen zu lassen. Auch wenn der Atmosphärenbegriff einen festen Platz im filmischen Vokabular hat, hat die Filmwissenschaft es bisher versäumt a) eine präzise Definition des Atmosphärischen zu entwickeln, b) einen konsistenten theoretischen Rahmen für die Analyse filmischer Atmosphären zu entwickeln oder c) den Begriff erzähltheoretisch auszuloten, um die filmische Erzählung auf der Erfahrungsebene und nicht nur auf einer retrospektiven, analytischen Ebene erfassen zu können. Genau diesem Forschungsdesiderat widmet sich dieses Projekt und verfolgt dabei zwei Ziele: Erstens soll es den Atmosphärenbegriff systematisch in die Filmwissenschaft einführen, um den Zwischenraum zwischen Zuschauer und Film erfassen und beschreiben können. Zweitens versucht dieses Forschungsvorhaben mit dem Atmosphärenbegriff aus den Verschränkungen des Affektiven und des Kognitiven, des Subjektiven und des Objektiven, von Zuschauer und Film eine eigenständige, nämlich atmosphärische Filmebene freizulegen. Diese Ebene kann die filmische Erzähltheorie dahingehend weiterentwickeln, das Ungegenständliche, Affektive und Sensorische einzuarbeiten und damit genau das zu leisten, was strukturalistischen, semiotischen und kognitionswissenschaftlichen Narratologien nicht gelingt. Filmische Atmosphären lassen sich weder auf den Zuschauer noch auf den Film reduzieren, sondern beschreiben ein eigenständiges Drittes. Laut dem Philosoph Gernot Böhme sind Atmosphären ‚quasi-objektiv‘ indem sie räumlich ergossen sind, aber nur existieren, wenn sie von einem leiblichen Subjekt gespürt werden. Der Atmosphärenbegriff kann somit eine relationstheoretische Konzeption des Verhältnisses von Zuschauer und Film in die Filmwissenschaft einführen und damit die Dichotomie zwischen erzähl- und affekttheoretischen Ansätzen überwinden, die sich in den letzten Jahren in der Filmwissenschaft etabliert hat. Wo Erstere dazu tendieren, das spürbare leibliche Erfahren des Films in den Hintergrund treten zu lassen, definieren Letztere das Affektive als völligen Gegensatz zur repräsentativen und narrativen Ebene des Films (Brinkema, 2014, S. xii).Anders als die wesentlichen Vertreter der zeitgenössischen Atmosphärenforschung beschäftigt sich dieses Projekt nicht mit Atmosphären der realen Welt, sondern mit virtuellen, durch Medien erzeugten Atmosphären. Diese Ausweitung der Atmosphärenforschung ist erforderlich, da wir zunehmend mit (medien)technologisch erzeugten Umwelten interagieren (vgl. Durham Peters, 2015, p. 2). Die Analyse filmischer Atmosphären ermöglicht einen kritischen, reflektierten und ethischen Umgang mit Filmen und der Art, wie sie ihre virtuellen Welten affektiv orchestrieren. Dies ist außerordentlich wichtig in einer Zeit, in der unser Gefühlsleben zunehmend von Medientechnologien inszeniert und teils sogar manipuliert wird.
DFG-Verfahren Forschungsstipendien
Internationaler Bezug USA
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung