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Kriminaljustiz im Westen des Reiches (15. bis 17. Jahrhundert). Resilienzprozesse am Beispiel von Hexerei- und Unzuchtsdelikten
Antragstellerin
Dr. Rita Voltmer
Fachliche Zuordnung
Mittelalterliche Geschichte
Förderung
Förderung von 2019 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 313809822
Das Projekt entwirft ein neues Deutungsmodell der Strafverfolgung wegen Hexerei und so genannter Unzucht (1400-1700) unter Nutzung des in der Forschungsgruppe erarbeiteten und weiterzuentwickelnden Resilienzkonzepts. Etablierte Konzepte, basierend auf einem unscharf-beliebigen Krisenbegriff, werden hinterfragt. Das Modell wird erstmals die nicht-lineare, Kontinuitäten und Diskontinuitäten gleichzeitig umschließende Prozesshaftigkeit von Resilienz, den Konstruktcharakter der jeweiligen Devianzen und Delikte sowie die Mehrebenendynamik von Akzeptanz und Skepsis berücksichtigen. Resilienz wird dabei als eine normativ neutrale Heuristik angewandt, um jenseits klassischer Epochengrenzen die Beschreibung der von Umbrüchen gekennzeichneten Jahrhunderte zwischen 1400 und 1700 weiterzuentwickeln. Die These ist, dass die Resilienzstrategie "Kriminaljustiz" auf drei Handlungsebenen (Herrschaftsträger, Gruppen und Individuen der Bevölkerung, juristische und theologische Experten) teils implizit, teils kalkulierend verwandt wurde. Die im Konzept der politischen Dämonologie gefasste "Hexenideologie" wird als eine zeitgenössische sozialkonstruktivistische Interpretation verstanden (Selbstbeobachtung), welche als disruptiv wahrgenommene Phänomene deutete sowie handlungsleitende und handlungslegitimierende Anweisungen anbot. Die Arbeitshypothese ist, dass die Verfolgung von Hexerei und Unzucht als normativ neutral gedachte Resilienzressource im Rahmen der Resilienzstrategie "Kriminaljustiz" neu geschöpft, angewandt, aber auch verbraucht werden konnte. Die strafrechtliche Verfolgung des juristischen Konstrukts "Hexerei" verband sich auf drei Ebenen mit der Zuschreibung bzw. Aburteilung sexueller Devianzen: 1. Unzuchtsvorwürfe (Teufelsbuhlschaft) waren immanente Bestandteile des Hexereidelikts; 2. Zuschreibungen von Unzucht mündeten häufig im Hexereiverdacht; 3. Unzuchts- und Hexereidelikte wurden gleichzeitig bzw. abwechselnd von der herrschaftlichen Justiz als land- und gemeinschaftsschädliche Vergehen gegen Gottes Ordnung verfolgt bzw. von gemeindlichen Akteure zur Anzeige gebracht. Herrschaftliche (top-down) sowie gemeindliche Akteure bzw. Akteursgruppen (bottom-up) wandten auf verschiedenen Handlungsebenen die Resilienzressourcen "Hexerei-" bzw. "Unzuchtsverfahren" an. Der Habitus, das Selbstverständnis und die Standespolitik – gedacht als Resilienzdispositionen – des Adels spielten dabei eine relevante Rolle. Gleichfalls gilt es, die Resilienzdispositionen städtischer Magistrate zu untersuchen. Das Projekt konzentriert sich auf den Westen des Reiches mit dessen Übergangszonen zu Frankreich und den Spanischen Niederlanden. Herrschaftliche Fragmentierung, unterschiedliche Rechtstraditionen, Sprach- und Bistumsgrenzen charakterisieren diese Kernzone der europäischen Hexenverfolgungen, insbesondere aber den Eifel- und Ardennenraum. Die hervorragende Quellenüberlieferung erlaubt einen multiperspektivischen Zugriff auf die Forschungsfragen.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen
Teilprojekt zu
FOR 2539:
Resilienz