Repräsentation und Ungleichheit in der kommunalen Politik
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Welche gesellschaftlichen Interessen finden in der Politik Gehör – wessen Interessen werden übersehen? Diese wichtige Frage wurde in Wissenschaft und Gesellschaft in den vergangenen Jahren intensiv auf nationaler Ebene diskutiert, die kommunale Ebene wurde hierbei jedoch vielfach außer Acht gelassen. In diese Forschungslücke stößt das Projekt mit der Frage vor, welche gesellschaftlichen Interessen in der kommunalen Politik vertreten werden, ob Missverhältnisse festzustellen sind und, falls ja, wie sich solche Missverhältnisse erklären lassen. Zur Beantwortung dieser Fragen wurde in einem bundesweit vergleichenden Forschungsprojekt die Repräsentations- und Kontrolltätigkeit der Gemeindevertreter in 35 deutschen Großstädten am Beispiel kommunaler Anfragen untersucht. Aufgrund der vielschichtigen Nutzung von parlamentarischen Fragerechten konnten so wichtige Erkenntnisse über die Tätigkeit der Gemeinderäte in der Ausübung ihrer Repräsentations- und Kontrollfunktion gewonnen werden. Im Hinblick auf die Kontrollfunktion konnte gezeigt werden, dass sich die von der nationalen Ebene bekannte Systematik einer stärkeren Kontrolltätigkeit durch Oppositionsparteien auch auf der kommunalen Ebene zeigt. Nicht nur die Oppositionsparteien kontrollieren die Koalitionsparteien im Gemeinderat, sondern auch diejenigen Parteien, die nicht den Oberbürgermeister stellen, nutzen das parlamentarische Werkzeug der schriftlichen Anfrage signifikant häufiger als die Partei des Oberbürgermeisters. Weiterhin wurde nachgewiesen, dass die Mehrebenenstruktur des politischen Systems Folgen für die Muster politischer Kontrolle auf der kommunalen Ebene hat, indem Parteien mit Regierungsverantwortung auf der Landesebene Verwaltungshandeln nicht nur seltener, sondern auch konzilianter kontrollieren als reine Oppositionsparteien. Im Hinblick auf die Repräsentationsfunktion konnte das Projekt zeigen, dass der politische Kontext kommunalpolitischen Handelns Effekte für die Interessenvertretung hat, indem Parteien in finanzschwächeren Kommunen etwa kostenintensive Politikbereiche meiden. Es konnte ferner gezeigt werden, dass es einen klaren Bezug zwischen den inhaltlichen Schwerpunkten des Wahlkampfes und den Schwerpunktsetzungen im parlamentarischen Alltag gibt. Mit Blick auf die individuelle Repräsentationsleistung der Gemeindevertreter konnte schließlich nachgewiesen werden, dass nicht nur typische soziodemographische Faktoren wie Geschlecht oder Migrationsstatus die Repräsentation gesellschaftlicher Interessen beeinflussen, sondern ebenso der berufliche Hintergrund der politischen Repräsentanten. Insgesamt knüpfen die Befunde dabei an zahlreiche laufende wissenschaftliche Debatten an, sodass die Erkenntnisse über den konkreten Anwendungsfall hinausweisen und mithilfe der kommunalen Politik allgemeine Erkenntnisse über Muster und Determinanten von politischer Repräsentation und Kontrolle gewonnen werden können.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Ein zunehmend bunter Freistaat: Die Analyse der bayerischen Kommunalwahlen im März 2020 unter besonderer Berücksichtigung der kreisfreien Städte. Zeitschrift für Parlamentsfragen, 52(1), 78-94.
Pollex, Jan; Block, Sebastian; Gross, Martin; Nyhuis, Dominic & Velimsky, Jan A.
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Die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen im September 2020:. Zeitschrift für Parlamentsfragen, 53(1), 120-134.
Nyhuis, Dominic; Velimsky, Jan; Block, Sebastian & Gross, Martin
