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Evolutionäre Morphologie der Scheren von Einsiedlerkrebsen (Decapoda, Paguroidea) - was bestimmt die Form?
Antragsteller
Professor Dr. Stefan Richter
Fachliche Zuordnung
Systematik und Morphologie der Tiere
Förderung
Förderung seit 2019
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 428617143
Einsiedlerkrebse (Paguroidea) stellen mit mehr als 1000 Arten eine faszinierende und zugleich eine der erfolgreichsten Gruppen innerhalb der Zehnfußkrebse (Decapoda) dar. Das auffälligste Merkmal dieser Gruppe ist der wenig kalzifizierte Hinterleib (Pleon), welcher bei den meisten Arten in einem Schneckenhaus verborgen ist. Zu den Einsiedlerkrebsen gehören im weiteren Sinne auch die Königskrabben und die Landeinsiedlerkrebse. Nicht weniger interessant sind die ersten Laufbeine, welche wie bei nahezu allen Decapoda als Scherenfüße (Chelipeden) ausgebildet sind und bei einigen Arten im Verhältnis zur Körpergröße erstaunliche Ausmaße erreichen können. Man findet Einsiedlerkrebse mit rechter (Paguridae, Lithodidae) bzw. linker (Diogenidae, Coenobitidae) großer Schere, wobei einige Arten auch gleichgroße Scheren aufweisen (Pylochelidae). Diese Scheren übernehmen bei den Tieren verschiedenste Aufgaben (biologische Rollen). Bei vielen Arten dienen sie der Nahrungsaufnahme und -manipulation, werden gegen potentielle Räuber bzw. Gefahren schützend eingesetzt oder zum Verschließen des Schneckenhauses genutzt. Dieser Verschluss kann von Taxon zu Taxon unterschiedlich mit dem linken, mit dem rechten oder mit beiden Chelipeden erfolgen. Für die Nahrungsaufnahme ist weniger der Gesamtumriss der Schere relevant, als vielmehr die Schneidekante zwischen den beiden Scherengliedern (Propodus und Dactylus). Die Ausprägungen dieser Schneidekanten scheinen in ihrer Funktion unterschiedlichen Werkzeugtypen zu entsprechen (z.B. Rohrzange, Seitenschneider, Kneifzange und Nussknacker).Um die Evolution von Form, Funktion und biologischer Rolle von Einsiedlerkrebsscheren besser zu verstehen, sollen drei Ansätze, welche unterschiedliche Ebenen evolutionärer Transformationen betreffen, durchgeführt werden.Auf der ersten Ebene soll eine Vielzahl von Arten aus allen Familien der Einsiedlerkrebse untersucht werden. Dabei soll die Gesamtgestalt, mit den Methoden der Geometrischen Morphometrie untersucht und die Scherenkanten einer Funktionsanalyse unterzogen werden. Auf der zweiten Ebene soll die innerartliche Variabilität der Scheren bei zwei häufigen Arten untersucht werden: dem Gemeinen Einsiedlerkrebs (Pagurus bernhardus) und dem Kleinen Einsiedlerkrebs (Diogenes pugilator). Beide Arten nutzen ihre jeweils dominante, größere Schere als Verschluss des Schneckenhauses, sodass hier insbesondere auf eine Korrelation zwischen dem Umriss der Schere und der Mündung der Schneckenschale geachtet wird.Auf der dritten Ebene werden frisch gehäuteten Tieren der beiden zuvor genannten Arten 3D-Drucke von Schneckenhäusern mit modellierten Mündungen angeboten, um den Grad der Veränderbarkeit des Scherenumrisses (phänotypische Plastizität) zu bestimmen und gegenüber der genetischen Variabilität abzugrenzen. Dieser Ansatz basiert auf der Beobachtung, dass frisch gehäutete Einsiedlerkrebse ihre Scherenform zu einem bestimmten Grad an Schneckenhausmündungen anpassen können.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen