Italian colonial medicine in Libya 1912-1940.
Modern and Contemporary History
Final Report Abstract
Im Laufe dieser Arbeit haben sich Kontinuitäten und Diskontinuitäten italienischer Kolonialmedizin klar abgezeichnet. Die erste Gemeinsamkeit, die in der Literatur zu kolonialmedizinischen Themen in der liberalen und in der faschistischen Periode feststellbar ist, betrifft den Charakter der Kolonie als demographisches Auffangbecken für die überschüssigen Bauern des Mutterlandes sowie die Charakterisierung der Libyer als Arbeitsinstrumente. In beiden Perioden wurde eine Gleichberechtigung der Libyer als Staatsbürger Italiens nicht angestrebt. Beiden Perioden war auch der Diskurs der ähnlichen Nosographie gemeinsam: Italien und Libyen zeigten gleichermaßen Epidemien und Endemien, wenn auch mit unterschiedlichen Ausprägungen. Insbesondere Trachom, Syphilis und Tuberkulose, aber auch Cholera und Typhus waren an beiden Ufern präsent. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Libyern und Italienern, die in der liberalen wie in der faschistischen Zeit einen Bestandteil des hygienischen-medizinischen Diskurs darstellte, war die "Zähigkeit" der ländlichen Bevölkerungen in den beiden Ländern gegenüber den Krankheiten, die als Fatalismus und Sturheit interpretiert wurde. Aktionen der Hygiene und der kurativen Medizin waren dazu gedacht, die Libyer für die politischen Zwecke der Kolonialmacht zu gewinnen, indem ihre Loyalität und Dankbarkeit gesichert werden sollten. Der medizinische Diskurs wurde dazu missbraucht, die Errichtung der Konzentrationslager der beiden Epochen zu rechtfertigen, sie wurden als Mittel der Hygienisierung und auch explizit als Studie über die Volkskrankheiten des eroberten Landes bezeichnet. Trotz Kontinuitätslinien sind auch Differenzen festzustellen. In der liberalen Epoche waren die Siedler als frei handelnde Auswanderer definiert, während im Faschismus die Auswanderung zentral organisiert und medizinisch kontrolliert war. Nur gesunde und kinderreiche Bauern durften sich in den neuen Siedlungen etablieren. Auch sie schienen Instrumente im dienste der Nation zu sein, wobei sich die libysche Bevölkerung auf einer noch niedrigeren Stellung als reine Arbeitskraft ohne Hoffnung auf Parität befand. Die Gesundung und Hygienisierung dieser libyschen "Instrumente", die oft braccia (Arme) genannt wurden, sollte durch die Präsenz von Ambulanzen und Krankenhäusern erfolgen, mehr noch durch eine Erziehungsarbeit, die in den Schulen sowohl mit den Trachombehandlungen und den Hygieneunterricht erfolgte. Diese hygienische ‚Eroberung‘ der Erwachsenen durch ihre Kinder, der Frauen durch die Ambulanzen und Beratungsstellen zur Säuglingshygiene, war wiederum im Faschismus sowohl Italien als auch Libyen gemeinsam. Im Mutterland war der Landarzt als Erzieher der "sturen" Menschen ein wesentlicher Helfer der faschistischen Ideologie konzipiert. Die Betrachtung der Kolonialsituation hat klargemacht, dass nicht nur in der Kolonie Libyen, sondern auch im Mutterland Hygiene und Medizin ein Politikum seit der liberalen Zeit waren. Im Faschismus kann man sogar von einem biologischen Regime sprechen, da die Pläne der demographischen Vermehrung und der Ertüchtigung der Bevölkerung (sowie der unterlegenen Helfer wie der Libyer), die den Faschismus charakterisieren, eng verbunden waren mit der Instrumentalisierung von Hygiene und Medizin.
Publications
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Imperium und Gesundheit. Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken, 101(1), 496-532.
Parodi, Alessandra
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L’idra sifilitica non disarma, in: Antonio Tagarelli/Anna Piro, a cura di, Intorno alla sifilide-Un incontro tra storia e malattia, Consiglio Nazionale delle Ricerche, istituto di Bioimmagini e Fisiologia Molecolare, Cosenza 2021, Bd. II, 569-586.
Parodi, Alessandra
