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Von Ikon zu Abstraktion in Gebärdensprache: wie Ikonizität in der visuellen Modalität das Lexikon formt
Antragstellerin
Professorin Dr. Pamela Perniss
Fachliche Zuordnung
Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung
Förderung von 2019 bis 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 429017134
Zur einzigartigen Fähigkeit des Menschen zur Sprache gehört das Wissen um ein umfangreiches Vokabular. Über dessen Gestaltung wissen wir an sich noch wenig. Die Arbiträrität des Lexikons ist eine zentrale Annahme linguistischer: Wort und Bedeutung sind alleine durch Konvention relatiert. Ein nuancierterer Blick ergibt: arbiträre Beziehungen ko-existieren mit ikonischen und systematischen Beziehungen. Jüngste Forschung weist auf eine wichtige Rolle der ikonischen Ähnlichkeitsbeziehungen fürs Lernen und Verarbeitung von Sprache, gegeben durch den konkreteren Bezug zu den Objekten und Ereignissen unserer Erfahrungswelt. Gleichzeitig bedeutet dieser konkrete Bezug eine Einschränkung der Möglichkeit zur abstrakten Referenz; ikonische Wortformen haben, zumindest in Lautsprachen, ein relativ kleines Ausmaß im Lexikon. Im Gegensatz hierzu ermöglicht die visuelle Modalität von Gebärdensprachen ein hohes Maß an Ikonzität. In diesem Projekt wird die Auswirkung des ikonischen Abbildungspotentials auf das Lexikon in der visuellen Modalität untersucht, v.a. hinsichtlich sowohl konkreter als auch abstrakter Konzepte.Wir beziehen uns auf die Beobachtung, dass abstrakte Bedeutung im übertragenen Sinn aus konkreter Referenz hervorgeht: der konkreten und abstrakten Bedeutung von Anker ist der Bedeutungskern der ‚Hinderung am Fortbewegen’ gemein. Wir untersuchen Gebärdensprachen, die natürlichen vollwertigen Sprachen tauber Mitmenschen, deren Lexika maßgeblich durch Ikonizität gekennzeichnet sind. Die Ikonizität zeigt sich in bestimmten semantischen Bereichen systematisch; so ähneln sich Gebärden oft cross-linguistisch: e.g. SCHREIBEN in Deutscher Gebärdensprache (DGS) und British Sign Language (BSL). Konkrete, ikonische Referenten bilden auch in Gebärdensprachen die Grundlage abstrakterer Konzepte: z.B. haben die DGS-Gebärden SCHREIBEN und SCHULE die gleiche auf die Handlung des Schreibens bezogene ikonsiche Basis. Dies deutet an, dass Gruppen ikonischer Gebärden Elemente gemein haben, die als Sprungbrett zur Bedeutungserweiterung und -diversifizierung genutzt werden können (im Sinne der Kolexifizierung). Ferner weisen Gebärden aufgrund geteilter konzeptueller Repräsentationen und der geteilten Modalität auch Ähnlichkeit mit ikonischen Gesten auf. Der Vergleich der Form-Bedeutungs-Beziehungen von Gebärden aus verschiedenen semantischen Bereiche in zwei unverwandten Gebärdensprachen (DGS und BSL) ermöglicht ein Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen der ikonizitätsbedingten Gestaltung des Lexikons. Der Vergleich von Gebärden und Gesten für gleiche Konzepte in beiden Ländern wird das Ausmaß der geteilten kognitiven und/oder kulturellen Basis zeigen und die Grundlage der Ikonizität für Konkreta und Abstrakta darlegen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Großbritannien
Kooperationspartner
Gerardo Ortega, Ph.D.