Bogoliubov-Fermi-Flächen in topologischen Supraleitern
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt war Teil eines größeren Forschungsprogramms, das sich theoretisch mit Fermi-Flächen in unkonventionellen Supraleitern beschäftigt. Die betrachtete Klasse unkonventioneller Supraleiter hat Kristallstrukturen mit lnversionssymmetrie, d.h. Symmetrie unter Raumspiegelung. Wir hatten früher gezeigt, dass solche Supraleiter unter bestimmten Bedingungen generisch eine Fermi-Fläche besitzen. Unter anderem müssen sie magnetisch sein. Eine Fermi-Fläche ist charakteristisch für normale Metalle und die verbreitete Ansicht war vorher, dass Supraleiter im Gegensatz dazu eine Energielücke haben, die sich höchstens für Anregungen mit speziellen Impulsen schließen kann. Man spricht dann von „Knoten" der Energielücke. Die Fermi-Flächen in Supraleitern lassen sich als zweidimensionale Knoten interpretieren, da die Impulse, für die sich die Energielücke schließt, eine zweidimensionale Fläche bilden. Die Erkenntnis, dass Supraleiter eine Fermi-Fläche haben können, warf zwei Fragen auf: Einerseits erschienen solche exotischen supraleitenden Zustände energetisch ungünstig im Vergleich zu konventionelleren Zuständen. Können sie also überhaupt auftreten? Andererseits war es für experimentelle Nachweise notwendig, die Konsequenzen der Fermi-Flächen für bestimmte Messgrößen vorherzusagen. Außerdem war es wünschenswert, Materialien zu identifizieren, in denen diese Physik auftritt. Zur Beantwortung der ersten Frage haben wir die Standard-Theorie für Supraleiter, die Bardeen-CooperSchrieffer-Theorie, auf ein geeignetes Modell angewendet. Die Theorie beschreibt auf Basis einer anziehenden Wechselwirkung zwischen Elektronen die möglichen supraleitenden Zustände und zeigt auch, welcher davon energetisch am günstigsten ist und daher real auftritt. Wir finden, dass für schwache Wechselwirkung tatsächlich ein supraleitender Zustand mit Fermi-Flächen gewinnt. Erst für recht starke Wechselwirkung finden wir einen Phasenübergang zu einem Zustand ohne Fermi-Flächen. Die Wechselwirkung in realen Systemen ist typischerweise schwach, so dass wir unsere Theorie von Supraleitern mit Fermi-Flächen auf eine solide Basis stellen konnten. Um diese Ergebnisse erzielen zu können, waren auch methodische Weiterentwicklungen bei der numerischen Lösung der Bardeen-Cooper-Schrieffer-Theorie erforderlich. Wir haben diese Ideen auch auf eine spezielle Kristallstruktur, die sogenannte Pyrochlor-Struktur, angewendet. Hier ist ein interessanter zusätzlicher Punkt, dass eine stark abstoßende Wechselwirkung dennoch zu Supraleitung (mit Fermi-Flächen) führen kann. Das Bild ändert sich, wenn man die Kopplung der Elektronen im Festkörper an das Kristallgitter berücksichtigt. Wir konnten zeigen, dass Supraleiter mit Fermi-Flächen bei hinreichend niedrigen ( evtl. unbeobachtbar niedrigen) Temperaturen immer zu einer spontanen Verzerrung des Kristallgitters führen, die die lnversionssymmetrie bricht. Dadurch werden die Fermi-Flächen weitgehend zerstört und das System kann seine Energie absenken. Hinsichtlich der zweiten Frage haben wir zunächst die Temperaturabhängigkeit einer ganzen Reihe von Messgrößen für verschiedenen Arten von Knoten vorhergesagt, darunter Fermi-Flächen mit der Form von Bällen und Donuts. Es handelt sich um Größen wie die spezifische Wärme, die Eindringtiefe eines Magnetfeldes und die Relaxationsrate von Kernspins, die routinemäßig für die Charakterisierung neuer Supraleiter verwendet werden. Es ist im Prinzip möglich, den Charakter der Knoten durch Messung von ein oder zwei dieser Größen zu bestimmen. Wir haben auch den rätselhaften Supraleiter SrRuOq theoretisch untersucht. Auf Basis neuer Experimente haben wir einen neuen supraleitenden Zustand vorgeschlagen, der neben anderen interessanten Eigenschaften auch Fermi-Flächen aufweist. Parallel haben wir auch die in den erwähnten früheren Arbeiten entwickelte Theorie auf eine viel breitere Klasse von Modellen angewendet. Dabei ging es v.a. um Wechselwirkungen, die nicht nur lokal in einem Atom wirken, und um kompliziertere Gitterstrukturen. Die Ergebnisse für die Existenz von Fermi-Flächen gelten unverändert, jedoch existiert eine viel größere Bandbreite möglicher interessanter supraleitender Zustände.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
-
Stabilizing even-parity chiral superconductivity in Sr2RuO4. Physical Review Research, 2(3).
Suh, Han Gyeol; Menke, Henri; Brydon, P. M. R.; Timm, Carsten; Ramires, Aline & Agterberg, Daniel F.
-
Distortional weak-coupling instability of Bogoliubov Fermi surfaces. Physical Review B, 103(2).
Timm, Carsten; Brydon, P. M. R. & Agterberg, Daniel F.
-
Symmetry, nodal structure, and Bogoliubov Fermi surfaces for nonlocal pairing. Physical Review B, 104(9).
Timm, Carsten & Bhattacharya, Ankita
-
Bogoliubov Fermi surfaces from pairing of emergent j=3/2 fermions on the pyrochlore lattice. Physical Review B, 105(13).
Kobayashi, Shingo; Bhattacharya, Ankita; Timm, Carsten & Brydon, P. M. R.
-
Effects of strain in multiorbital superconductors: The case ofSr2RuO4. Physical Review Research, 4(2).
Beck, Sophie; Hampel, Alexander; Zingl, Manuel; Timm, Carsten & Ramires, Aline
-
Stability of Bogoliubov Fermi surfaces within BCS theory. Physical Review B, 107(22).
Bhattacharya, Ankita & Timm, Carsten
