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Modernität, Migration und Minderheiten: Drei Fallstudien zum Arabischen in Kontaktsituationen
Antragstellerin
Professorin Valentina Serreli, Ph.D.
Fachliche Zuordnung
Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Islamwissenschaft, Arabistik, Semitistik
Islamwissenschaft, Arabistik, Semitistik
Förderung
Förderung von 2019 bis 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 429257272
Das enge Verhältnis zwischen Variation und Wandel gehörte zu den Gründungsideen von Labovs soziolinguistische quantitativem Forschungsansatz und fließt weiterhin in zahlreiche Forschungen ein. Das vorliegende Projekt setzt diese Tradition fort und untersucht drei Situationen, die sowohl exemplarisch für ihren soziolinguistischen Eigenwert als auch für ihren besonderen Status in einer sich schnell verändernden modernen Welt sind. Durch große Migrationsbewegungen werden Bevölkerungen zunehmend mit neuen soziolinguistischen Umgebungen in Kontakt gebracht, deren Auswirkungen spürbar sind, aber nicht genügend wahrgenommen werden.Im Rahmen der übergreifenden Spracheinheit des Arabischen werden drei Fallstudien unter Verwendung klassischer vergleichender soziolinguistischer Methoden untersucht, die auf umfangreichen mündlichen Korpora basieren. Zwei davon befassen sich mit Bevölkerungen, die aus ihren Heimatländern in neue sprachliche Umgebungen vertrieben wurden. Zahlreiche syrische und irakische Flüchtlinge sind zwischen 2015 und 2018 nach Deutschland gezogen. Ähnlich viele nigerianische Araber wurden nach dem Aufstand der islamistischen Terrorgruppe Bokko Haram in Nordost-Nigeria aus ihren ländlichen Heimatgebieten vertrieben und in Flüchtlingslager u.a. in Maiduguri gezwungen. Im dritten Fall der Siwaner Berber erfährt die Siwa-Oase seit 1980 eine massive Einwanderung ägyptischer Außenstehender. Diese macht das Ägyptisch-Arabische zur dominierenden L2/Lingua Franca im Gegensatz zum lokalen Shahibat-Beduinen-Dialekt.Mit dem klassischen "Apparent-Time"-Konstrukt zur Ermittlung des Änderungsgrades werden demografisch stratifizierte Korpora jeder Varietät erfasst, transkribiert und einer quantitativen soziolinguistischen Analyse unterzogen. Im Falle von Nigeria und Siwa wird jeweils eine dialektale/ethnische Gruppe untersucht, während in Deutschland irakische und syrische Araber zunächst als getrennte Sprachgruppen behandelt werden. Obwohl jeder soziolinguistische Kontext unterschiedlich ist, wird der Sprachkontakt mit Dialekt /Spracherhalt/ -wechsel oder Koineisierung in Verbindung gebracht. Es wird davon ausgegangen, dass aus der nigerianischen und deutschen Situation eine Koineisierung resultieren wird, wobei sich jüngere Sprecher an neue, durch die lokalen Gegebenheiten definierte Normen anpassen. Dagegen wird anhand eines Generationenvergleichs des L2-Arabisch der Siwaner Berber ein Dialektwechsel von einem Beduinen-Arabisch zu einem Ägyptisch-Kairenischen L2-Arabisch dokumentiert. Eine weitere Dimension stellt der Status aller Gruppen als Minderheiten dar, die z.B. einen Einfluss auf die Entwicklung einer koineisierten Sprachvarietät haben könnte.Diese streng kontrollierte, empirisch konzipierte Studie verspricht, unser Verständnis vieler Faktoren zu erweitern, welche die Dynamik des mündlichen Arabischen in der heutigen Welt beeinflussen und dieses in einem umfangreichen Kontext der Migration sowie des Kontakt- und Sprachwandels einzubetten.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Mitverantwortlich
Professor Dr. Jonathan Owens