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Gemeinschaft als Retrotopia? Zugehörigkeit in Literatur und Videokunst

Antragstellerin Dr. Agnieszka Hudzik
Fachliche Zuordnung Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Förderung Förderung von 2019 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 429663607
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Zentrum des Forschungsprojekts stand die Untersuchung der Imaginarien der Gemeinschaft in Literatur und zeitgenössischer Kunst durch das Prisma der Gemeinschaftstheorien. Die Analyse ausgewählter Kunstwerke von Zbigniew Libera, Joanna Malinowska, C.T. Jasper und Yael Bartana ergab, dass sich in der künstlerischen Reflexion über Gemeinschaft aus der Perspektive einer linken politischen Orientierung zwei Motive wiederholen: Zum einen handelt es sich um eine postkoloniale Kritik am Projekt der frühen ethnologischen Untersuchungen, dem zufolge ein Individuum aus Europa imstande war, in indigene Gemeinschaften auf anderen Kontinenten einzudringen, um ihre Kulturen, Sitten und Bräuche zu beschreiben und zu verstehen. Zum anderen ist eine linke Kritik an Nationalismus und Universalismus sowie eine Auseinandersetzung mit dem zionistischen Gemeinschaftsprojekts auffällig, für das die Dialektik von aufgezwungenem Partikularismus und universalistischen Ansprüchen paradigmatisch ist. Den Ausgangspunkt der Überlegungen bildete eine heuristische Herangehensweise: Inspiriert von Werken der genannten Gegenwartskünstlerinnen wurden zwei Gemeinschaftsprojekte der Moderne zusammengestellt und analysiert, denen die Vorstellungen von der Durchdringung in eine kulturell andere Gruppe und von einer Gemeinschaft der Ausgeschlossenen zugrunde liegen. Die beiden Vorstellungskomplexe kommen beispielhaft in zwei wirkungsmächtigen und für ihre Epoche symptomatischen literarischen Texten zum Ausdruck: in Joseph Conrads Heart of Darkness (1899) und Theodor Herzls Altneuland (1902). Im Projekt ist es gelungen, eine transkulturelle und transmediale Zirkulation dieser Vorstellungen im Kontext der Mediengeschichte und der Wendemomente im Gemeinschaftsdiskurs aufzuzeigen – von Texten vom Anfang des 20. Jahrhunderts über Werke von seiner zweiten Hälfte (u.a. von Josef Škvorecký, Mario Vargas Llosa, Philip Roth) bzw. vom Anfang des 21. Jahrhunderts (Eshkol Nevo, Mithu Sanyal) bis hin zur Gegenwartskunst. Das Projekt hat neue Theorie- und Methodendesigns zur Erforschung der inter- und transmedialen Strategien in Literatur und Kunst erprobt (z.B. Theorien der Gemeinschaft in Verbindung mit Medientheorien und Postkolonialen Theorien). Zudem wurden weiterführende Fragestellungen zu den Zusammenhängen zwischen der Entstehung der polnischen Videokunst und der Transformationszeit erarbeitet, woraus eine separate Publikation hervorgegangen ist. Das Forschungsprojekt ist damit Teil des sich formierenden Forschungsfelds, dass sich mit dem politisch Imaginären und insbesondere der kritischen und dekonstruktivistischen Revision der Repräsentationen der Gemeinschaft beschäftigt. Es hat das subversive und performative Potenzial der Literatur und Kunst gezeigt und auf politische Entwürfe und Visionen aufmerksam gemacht, die sich in ihnen äußern, nicht zuletzt in Hinblick auf aktuelle Debatten in Europa über kosmopolitische und multikulturelle Einwanderungsgesellschaften, Identitätspolitik oder das Thema Migration, Inklusion, Konvivenz und Kopräsenz.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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