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Bildsehen // Bildhandeln. Die Freiberger Fotofreunde als Community of Visual Practice
Antragstellerinnen / Antragsteller
Dr. Torsten Näser; Professorin Dr. Ira Spieker
Fachliche Zuordnung
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung
Förderung von 2019 bis 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 429701372
Archive mit mehr als 700.000 Fotografien und eine Geschichte von fast 70 Jahren – das sind die beeindruckenden Rahmendaten der „Freiberger Fotofreunde“. Der Club, 1950 gegründet und mit einer Bestandsdauer über zwei politische Systeme hinweg, zählt zu den ältesten Vereinigungen für Amateurfotografie auf dem Gebiet der damaligen DDR. Die Mitglieder prägen das Bild und das visuelle Gedächtnis der sächsischen Bergstadt Freiberg und ihrer Umgebung bis heute: durch Ausstellungen, Publikationen und die Bebilderung von Presseartikeln und Broschüren. Die DDR-Amateurfotografie zählt noch immer zu den Forschungsdesideraten. Eine Neupositionierung des Amateurbegriffs (diskursiv zu Kategorien wie Professionalisierung, Ökonomisierung und Technisierung) verspricht Impulse für gesellschaftstheoretische Fragestellungen zu Wissenskonzepten und -praktiken. Denn gerade die Amateurbewegung war ein von der sozialistischen Kulturpolitik institutionalisierter und signifikant geförderter Bereich. Dadurch bietet sich die Chance, Fotografie nach ihren vielfältigen Akteuren und deren alltäglichen Praxisformen zwischen Produktion, Präsentation und sozialen Kontexten zu befragen. Der Freiberger Club bildet einen ebenso seltenen wie erkenntnisreichen Forschungsgegenstand: Die Mitglieder stellen ihre Bestände dem Projekt zur Analyse zur Verfügung und sind zu Interviews und zur Öffnung ihrer Treffen und Veranstaltungen bereit. Der fotografische Gesamtbestand eröffnet eine ungewöhnlich breite Material-, Genre- und Motivvielfalt: Politische Kundgebungen zählen ebenso dazu wie Momentaufnahmen im Stil sozialdokumentarischer Fotografie, Arbeitswelten ebenso sowie Porträts. Die Aufnahmen sind von hoher technischer Qualität: Die Fotofreunde nennen sich selbst „Berufsamateure“; Grenzen zwischen Profis und Hobbyfotografen lösen sich auf. An diesem Beispiel lassen sich grundsätzliche Fragestellungen mit weiterführenden Überlegungen zu (hierarchisierenden) Wissenskonzepten verbinden. Mit seinem praxeologischen und partizipativen Ansatz, der eine historische und gegenwärtige Perspektive kombiniert, fokussiert das Vorhaben visuelle Produkte und Praktiken gleichermaßen. Im Teilprojekt „Bildsehen“ stehen ausgewählte Samples und bildanalytische Verfahren im Mittelpunkt, die mit biografischen und themenzentrierten Interviews verschränkt werden. Abhängigkeiten zwischen Motivwahl und Bildsprache und dem jeweiligen (kultur-)politischen, sozialen und individuellen Kontext sowie ästhetischen Orientierungen werden so im diachronen Verlauf erfassbar. Das Teilprojekt „Bildhandeln“ nähert sich den ungebrochen regen Vereinsaktivitäten durch ethnografische Zugänge. Es nimmt die Visualisierungspraxen der Freiberger Fotofreunde als das Ergebnis einer Mensch-Ding-Beziehung in den Blick und fragt danach, wie in der Gemeinschaft lokale Regeln „guter“ fotografischer Praxis ausgebildet und verhandelt werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen