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Multiple Staatsbürgerschaft im römischen Kleinasien (I- III Jhd.)
Antragstellerin
Dr. Lucia Cecchet
Fachliche Zuordnung
Alte Geschichte
Förderung
Förderung von 2019 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 430584072
In diesem Projekt untersuche ich das Phänomen der Mehrfachstaatsbürgerschaft im römischen Kleinasien vom ersten zum dritten Jahrhundert n. Chr. (bis zum Jahr 212 n. Chr.). Unter „Mehrfachstaatsgebürgerschaft“ ist die Zugehörigkeit eines Bürgers zur Bürgerschaft verschiedener Poleis zu verstehen – eine politische Entwicklung, die ab der spätklassischen und hellenistischen Zeit einsetzte und sich im Laufe der Kaiserzeit konsolidierte. Oft ging dies mit der zusätzlichen Verleihung des römischen Bürgerrechtes an griechische Bürger einher.Jene Praxis lässt uns einige forschungshistorisch tradierte Annahmen über das antike griechische Bürgerrecht hinterfragen: Insbesondere die Idee, dass das Bürgerrecht immer die aktive Teilhabe der Bürger an den Institutionen der Polis voraussetze, gilt es erneut zu diskutieren. Diese Vorstellung beruht auf der vielzitierten Definition des Aristoteles, dass ein Bürger ,,derjenige ist, der an der Rechtsprechung und an den Amtsgeschäften teilhat" (Aristot. Pol. 3, 1275a). Im Laufe der hellenistischen Epoche und in römischer Zeit wurden die Regierungsgeschäfte der Polis jedoch primär zum Vorrecht der Eliten. Darüber hinaus zeigt das Phänomen der multiplen Staatsbürgerschaft einerseits, dass Partizipation und Teilhabe an den Verfassungsorganen der Polis kaum als das Wesen des Bürgerrechtes angesehen werden können. Andererseits war das Mehrfachbürgerrecht kein reiner Ehrentitel. Die Verleihung mehrfacher Bürgerrechte entwickelte ferner soziale ebenso wie politische Dynamiken, indem sie u.a. zur Entstehung von Netzwerken, zur Intensivierung von politischen Kontakten, zur Entwicklung politischer Karrieren und zur Migrationsprozessen beitrug. Gleichzeitig stellt sich die Frage, inwiefern diese Praxis die Wahrnehmung und Inszenierung bürgerlicher Identitäten bzw. den öffentlichen Diskurs darüber veränderte.Ziel dieses Projekts ist, ein neues Modell zur Interpretation der Beziehung zwischen Bürgerrecht, politischer Partizipation und staatsbürgerlicher Identität am Beispiel von Mehrfachstaatsbürgerschaft im römischen Kleinasien zu entwickeln. Dabei gilt es einerseits politische Prozesse, andererseits die öffentliche Darstellung individueller bürgerlicher Identitäten zu berücksichtigen. Auf der Basis von vielfältigem Quellenmaterial, vor allem von Inschriften, literarischen Texten, nicht zuletzt Reden aus der „Zweiten Sophistik“ und materiellen Zeugnissen (Statuen und Reliefs), möchte ich einen innovativen Beitrag zur Debatte um das griechische Bürgerrecht leisten, deren Fokus bislang auf der archaischen und klassischen Zeit lag.
DFG-Verfahren
Forschungsstipendien
Internationaler Bezug
Schweiz
Gastgeber
Dr. Andreas Victor Walser