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Politische Epistemologie: Demokratie und das Problem strategischer Manipulation
Antragsteller
Dr. Simon Scheller
Fachliche Zuordnung
Praktische Philosophie
Theoretische Philosophie
Theoretische Philosophie
Förderung
Förderung von 2020 bis 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 430621735
Der epistemische Wert der Demokratie und die „Weisheit der Vielen“ verkörpern zentrale Motive der Demokratietheorie. Jedoch stellen jüngere politische Entwicklungen – insbesondere wachsende Bedenken über Fake News, Polarisierung und populistische Rhetorik – die weithin akzeptierte Aussage in Frage, dass demokratische Institutionen epistemisch überlegene Kollektiventscheidungen ermöglichen. Dieses Missverhältnis zwischen Ideal und Praxis weist auf die „Epistemische Krise der Demokratie“ hin und drängt die Frage auf: (Wie) können epistemische Theorien der Demokratie diesen neuartigen Herausforderungen entgegentreten?Dieses Projekt analysiert die Rolle strategischer Manipulation bei der kollektiven Meinungsbildung und Entscheidungsfindung, welche den Kern genannter Phänomene ausmacht. Es zielt darauf ab, Erfolgsbedingungen für epistemische Gruppen trotz der Präsenz manipulativer Akteure zu identifizieren. Dies soll dabei helfen, den epistemischen Wert der Demokratie im Lichte genannter Herausforderungen neu zu bewerten und zu bekräftigen. Dadurch trägt das Projekt zu einem kleinen aber wachsenden Literaturstrang zur „Politischen Epistemologie“ bei, der Erkenntnisse der sozialen Epistemologie und Politischen Philosophie vereint. Obwohl eine Vielzahl an Beiträgen in der sozialen Epistemologie kollektive Meinungsbildungsprozesse untersuchen, divergieren nur wenige von der Annahme individueller Ehrlichkeit. Auf viele politische Kontexte sind sie deshalb nicht anwendbar, da konfligierende Interessen Anreize zur Falschdarstellung von Informationen bieten können. Um diese Lücke zu füllen stellt dieses Projekt eine Reihe Agentenbasierter Modelle (ABMs) zur Verfügung, die kollektive Entscheidungen unter dem Einfluss strategischer Manipulation darstellen.ABMs erlauben es, zentrale dynamische Aspekte der sozialen Wissensbildung zu berücksichtigen. Ebenso erlauben sie es, verschiedene Manipulationsstrategien mit einzubeziehen und zu analysieren. Die vorgeschlagenen Modelle gehen dabei auch auf spezifischere Unterfragen ein, wie etwa die Frage nach der Resilienz verschiedener Netzwerkstrukturen gegenüber Manipulation oder dem Verhältnis von Misstrauen und Polarisierung. Die formale Modellierung wird begleitet durch eine konzeptuelle Analyse der Kernfragen der Politischen Epistemologie: Wie können verschiedene Theorien der epistemischen Demokratie mit Manipulation und falsch informierten Bürgern umgehen? Entstehen Implikationen für die demokratische Legitimität? Und welche Gegenmaßnahmen sind für demokratische Akteure rechtfertigbar?Diese Untersuchungen werden zu einer fundierten Bewertung der gesellschaftlichen Folgen politisierter epistemischer Diskussionen generell beitragen. Insbesondere führt dies zu einem tieferen Verständnis manipulativer Strategien, potentieller Gegenstrategien sowie der epistemischen Resilienz institutioneller Strukturen. Gleichzeitig fördert dieses Unterfangen den Einsatz agentenbasierter Modelle in der Philosophie.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen