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Fette Welten II - Zwischen Exzess und Askese. Konstruktionen kollektiver und individueller Körper in der Vormoderne (Frankreich; Italien)

Fachliche Zuordnung Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung Förderung seit 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 431101838
 
Der Wunsch nach einem Leben im Überfluss, einer Welt ohne Hierarchien ist wohl so alt wie die Menschheit. Im Lauf des europäischen Mittelalters bilden sich für ihn spezifische Erzählweisen heraus: die Reise ins Schlaraffenland; der Kampf zwischen Karneval und Fastenzeit. Gleichzeitig entwickelt das Christentum die Figur des dickbäuchigen Schlemmers als Personifizierung der Völlerei. Exzess und Askese, fette und magere Körper wurden von der Forschung vorwiegend in binären Interpretationsmodellen erfasst. Dagegen wollen wir nicht mehr primär nach einer positiven/negativen Wertung dicker oder dünner Körper, eines verschwenderischen oder sparsamen Lebensstils, einer (Bachtin’schen) Affirmation des Körperlichen oder Disziplinierung des Körpers fragen. Stattdessen richten wir unser Augenmerk auf literarische Texte, die sich einseitigen Zuschreibungen (populär vs elitär; konservativ vs subversiv) entziehen und auf die Wünsche, Ängste und Bedürfnisse, die sich in den von uns untersuchten Konstruktionen individueller und kollektiver Körper manifestieren. Im Rahmen des Projekts "Fette Welten" konnten wir drei umfangreiche Korpora zu den Themenkomplexen Schlaraffenland/ Karneval und Fastenzeit/ fette Körper erstellen, die gänzlich unerschlossene Quellen beinhalten. Im Fortsetzungsantrag setzen wir uns eine dezidiert komparatistische Ausweitung des Projekts zum Ziel, die es uns ermöglichen wird, 1) erstmals ein internationales Referenzwerk in Form einer mehrbändigen kritischen Edition europäischer Schlaraffenlandtexte vorzulegen. Anstelle der ursprünglich geplanten reinen Textsammlung werden die von uns erschlossenen Texte kritisch ediert und kommentiert; zusammen mit Kolleg*innen aus Germanistik, Anglistik, Romanistik wird ein Grundlagenwerk zum europäischen Mythos Schlaraffenland vorgelegt. 2) Als Grundlagenwerke zu verstehen sind auch die von Christine Ott zu verfassende Monographie "Körper von Gewicht. Dicksein in der frühen Neuzeit" in der, entgegen der ursprünglichen Beschränkung auf Italien und Frankreich, anhand von prominenten literarischen und bildlichen Beispielen die Diskursivierung und Konstruktion von Körperfülle in der italienischen, französischen, spanischen, deutschen, englischen frühen Neuzeit untersucht wird 3) sowie der von C. Ott mitherausgegebene interdisziplinäre Forschungsband Fat Bodies in Early Modern Europe (voraussichtl. 2024 bei Routledge). 4) Eine Fülle neuer Texte erschließt auch die Monographie von Roberta Colbertaldo "Karneval und Fastenzeit. Literarische und bildliche Figurationen von Kollektivkörpern in der französischen und italienischen Vormoderne". Bisher (wenn überhaupt) im Rahmen folkloristischer Untersuchungen besprochen und referentiell gelesen, werden die literarischen Texte mit Rücksicht auf Gattungstraditionen und spezifische Vertextungsstrategien analysiert; zugleich werden sie sorgfältig kontextualisiert und zu zeitgenössischen religiösen, medizinischen, diätetischen und sozialen Diskursen in Bezug gesetzt.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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