Auditorische Verarbeitung durch verteilte neuronale Schaltkreise in Danionella translucida
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Um die Überlebensfähigkeit eines Tieres zu fördern, analysieren verteilte neuronale Netzwerke kontinuierlich eingehende Sinnesreize, um relevante Ereignisse in der Umwelt zu erkennen und voneinander zu unterscheiden. Um die neuronalen Grundlagen dieser Berechnungen zu untersuchen, müssen wir die Aktivität vieler Neuronen in verschiedenen Hirnregionen beobachten. Da die Möglichkeiten einer umfassenden Beobachtung neuronaler Aktivität jedoch begrenzt sind, konzentrieren sich Wissenschaftler häufig auf einzelne Zellen oder kleine Gruppen von Neuronen in einzelnen Hirnregionen. Im Gegensatz dazu würden umfassende Aufnahmen neuronaler Aktivität in vielen Hirnregionen nicht nur seltene Zell- und Antworttypen aufdecken, die bei der Beobachtung von nur wenigen Neuronen Einzelzellaufzeichnungen leicht übersehen werden, sondern auch die Untersuchung von Signal-Repräsentationen auf der Populationsebene und von Interaktionen zwischen den Hirnarealen ermöglichen. Ziel dieses Projekts war es, zu verstehen, wie akustische Informationen von neuronalen Populationen in den verschiedenen Verarbeitungsstufen der Hörbahn von Wirbeltieren verarbeitet werden. Um dieses Ziel zu erreichen, nutzten wir die einzigartigen Eigenschaften des durchsichtigen, vokalisierenden Fisches Danionella cerebrum (früher bekannt als D. translucida), die es uns zum ersten Mal ermöglichten, die Aktivität neuronaler Populationen über das gesamte auditorische System eines erwachsenen Wirbeltiers hinweg umfassend zu messen. Um die Hörbahn und den Informationsfluss abzubilden, setzten wir einen neuen Mikroskopieansatz für die schnelle volumetrische Kalziumbildgebung ein, der es uns ermöglichte, die akustisch ausgelöste neuronale Populationsaktivität über die gesamte Hörbahn hinweg abzubilden. Wir identifizierten die wichtigsten auditorischen Verarbeitungszentren im Danionella-Gehirn vom Hinterhirn bis zum Pallium. Als Nächstes charakterisierten wir die hirnweiten neuronalen Antworten auf ein Ensemble tonaler und pulsartiger akustischer Stimuli. Zu unserer Überraschung stellten wir fest, dass die Antworten auf diese Stimulus-Kategorien schon früh im Hirnstamm getrennt werden und sich nicht überschneiden. Durch sorgfältig ausgewählte Stimuli konnten wir zeigen, dass diese Trennung kein Kontinuum ist, sondern zwei scharf voneinander getrennte Reaktionsregime darstellt. Danionella erzeugen soziale Laute, die aus zeitlich strukturierten Sequenzen von kurzen Impulsen mit artspezifischen Eigenschaften bestehen. Da wir davon ausgingen, dass einige Aspekte ihrer eigenen Laute eine besondere ethologische Bedeutung haben und deshalb von speziellen Schaltkreisen erkannt werden könnten, untersuchten wir das Gehirn auf Reaktionen auf eine Vielzahl von sozialen Lautnachahmungen. Dadurch stellten wir fest, dass Teile der Hörbahn nach und nach selektiver für die spezifische zeitliche Struktur der sozialen Laute von Danionella werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieses Projekt Danionella als erstes vollständig entwickelte Wirbeltier-Modell mit vollständigem optischen Zugang zum gesamten neuronalen System etabliert und Einblicke in die Struktur und Funktion der Hörbahn von Wirbeltieren auf Populationsebene ermöglicht hat.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Blazed oblique plane microscopy reveals scale-invariant inference of brain-wide population activity. Nature Communications, 14(1).
Hoffmann, Maximilian; Henninger, Jörg; Veith, Johannes; Richter, Lars & Judkewitz, Benjamin
