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Der Einfluss der tatsächlichen Verwandtschaft auf die Sozialität von Primaten mittels vollständiger Genomsequenzierung

Antragstellerin Professorin Dr. Anja Widdig
Fachliche Zuordnung Biologie des Verhaltens und der Sinne
Evolution, Anthropologie
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 433163659
 
Technologische Fortschritte wie die vollständige Genomsequenzierung (WGS) eröffnen spannende neue Wege für genomische Studien an diversen Arten. Ein Forschungsbereich, der durch diese Entwicklungen erheblich beeinflusst werden wird, ist die Bedeutung von Verwandtschaft für Sozialbeziehungen. Beziehungen haben Auswirkungen auf Gesundheit und Fitness, und werden häufig mit Verwandten eingegangen. Der Einfluss von Verwandtschaft auf das Sozialverhalten ist jedoch hochvariabel, was durch unpräzise Bestimmung von genetischer Verwandtschaft mitbegründet sein kann.Für die Quantifizierung von sozialen Präferenzen für oder gegen Verwandte (z.B. Nepotismus bzw. Inzuchtvermeidung) bedarf es einer exakten Bestimmung der tatsächlichen Verwandtschaft (‘identity-by-descent‘, IBD). Der Anteil des Genoms den eine Dyade tatsächlich teilt, unterliegt aufgrund stochastischer Prozesse während der Meiose deutlichen Schwankungen. Dadurch ergibt sich IBD als ein kontinuierliches Maß, das durch bisherige Methoden nur begrenzt dargestellt werden kann. Zum Beispiel liefern Stammbäume kategorielle Durchschnittswerte von Verwandtschaft bzw. Short Tandem Repeat (STR)-Marker Schätzungen, die nur auf einem Ausschnitt des Genoms basieren. WGS hingegen berücksichtigt sämtliche Nukleotidvarianten über das gesamte Genom, wodurch die tatsächliche Verwandtschaft zuverlässig bestimmt werden kann. Bei Primaten wurde Verwandtschaft bisher zumeist in Form von Verwandtschaftsklassen und nicht als kontinuierlicher Gradient berücksichtigt. Dadurch bleiben erhebliche Lücken in unserem Verständnis von Sozialität und deren Evolution. WGS-Daten erlauben es, diese Lücken zu schließen, stehen aber für freilebenden Primaten noch kaum zur Verfügung. Daher nutzen wir eine freilebende, besonders gut untersuchte Population von Rhesusaffen (Macaca mulatta) auf Cayo Santiago (Puerto Rico), für die seit Jahrzehnten Daten zu Demographie, Reproduktion, Verhalten und anderen Phänotypen erhoben werden. Wir werden dies mit WGS-Daten von 800 Tieren in Bezug setzen, um die Rolle des Gradienten in IBD auf soziale Präferenzen zu untersuchen. Mit diesem integrativen Ansatz verfolgen wir drei Hauptziele:1. Quantifizieren der Variation in IBD innerhalb und zwischen Verwandtschaftsklassen und Vergleich von IBD-Schätzungen aus WGS-Daten, Stammbäumen und STR-Markern. 2. Untersuchen der Rolle des Gradienten in IBD auf soziale Präferenzen, phänotypische Ähnlichkeiten und die Wahrnehmung von Verwandtschaft anhand phänotypischer Merkmale. 3. Bestimmen von Inzucht und damit einhergehenden Fitnessnachteilen mittels WGS-Daten sowie Inzuchtvermeidung durch die Präferenz von Paarungspartnern mit geringem IBD. Durch die Kombination von IBD aus WGS mit umfassenden sozialen Daten vieler Individuen wird das Projekt wesentlich dazu beitragen, die Auswirkungen der tatsächlichen Verwandtschaft auf die Evolution von Sozialverhalten zu verstehen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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