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Koordinationsausschüsse als parlamentarische Agendasetzer

Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Förderung Förderung seit 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 433598390
 
Das Projekt analysiert Koordinationsausschüsse (KA) in europäischen Parlamenten als horizontale kollektive Akteure. Beispiele von KA sind der Ältestenrat im deutschen Bundestag, die Präsidialkonferenz des österreichischen Nationalrats und das Backbench Business Committee im britischen Unterhaus. KAs bestehen aus dem Parlamentspräsidenten, ihren oder seinen Stellvertreter/innen sowie weiteren Mitgliedern, beispielsweise Vertretern der Fraktionen oder Ausschussvorsitzenden. Ihre Hauptaufgabe ist die Festlegung der parlamentarischen Tagesordnung (Agendasetzung). Dieser Prozess ist zentral für das Verständnis von Parlamenten, weil die Tagesordnung parlamentarische Prozesse und Ergebnisse vorstrukturiert, die politische Debatte und damit den Wettbewerb um Wählerstimmen beeinflusst sowie die Machtverteilung zwischen parlamentarischen Akteuren mitbestimmt. Dennoch weiß die Forschung wenig darüber, wie und mit welchen Folgen KA die parlamentarische Agenda beeinflussen und warum die Rolle dieser Gremien über Parlamente hinweg variiert. Das erste Projektmodul vermisst und erklärt Variation in den Agendasetzungsverfahren europäischer Parlamenten, v.a. hinsichtlich der Zusammensetzung, Handlungsressourcen und internen Entscheidungsregeln von KA. Das zweite Modul untersucht interne Dynamiken in ausgewählten KA um herauszufinden, ob sich die oft einvernehmlichen Entscheidungen dieser Gremien mit den individuellen Präferenzen der Mitglieder erklären lassen oder auf die Entstehung eines autonomen horizontalen kollektiven Akteurs im Sinne der Forschungsgruppe hindeuten. Das Projekt entwickelt aus Argumenten des rational choice Institutionalismus, des soziologischen Institutionalismus sowie sozialpsychologischer Gruppentheorien konkurrierende theoretische Erklärungen dafür, unter welchen Bedingungen KA Handlungsressourcen erlangen sowie ob und warum sie sich zu autonomen Akteuren entwickeln. Diese Erklärungen werden empirisch anhand neu erhobener Daten aus rechtlichen Regelungen, offiziellen Dokumenten, einer Befragung der Ausschusssekretariate sowie qualitativen Interviews mit Ausschussmitgliedern und Ausschussmitarbeitern getestet. In der Parlamentsforschung trägt das Projekt zu Debatten über die institutionelle Ausgestaltung und substanziellen Folgen parlamentarischer Agendasetzungsregeln bei. Im Rahmen der Forschungsgruppe analysiert es einen unwahrscheinlichen Fall für die Entstehung eines autonomen horizontalen kollektiven Akteurs. KA bestehen aus Repräsentanten korporativer Akteure (politische Parteien) mit häufig antagonistischen Präferenzen und lassen damit wenig Spielraum für gruppenorientiertes Verhalten, das von einer strikten Aggregation der Mitgliederpräferenzen abweicht. Wenn sich unter diesen Bedingungen dennoch Autonomie feststellen ließe, spräche dies für die allgemeine Bedeutung des Phänomens; ist dies nicht der Fall, hilft das Projekt, Randbedingungen für die Entstehung autonomer horizontaler kollektiver Akteure zu bestimmen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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