Internationale Vergleichbarkeit der Herzinfarktsterblichkeit in Krankenhausabrechnungsdaten am Beispiel von Deutschland und den USA
Epidemiologie und Medizinische Biometrie/Statistik
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In internationalen Vergleichen von Gesundheitssystemen wird die Herzinfarktsterblichkeit als Qualitätsindikator herangezogen, der auf die Effektivität von Versorgungsprozessen schließen lässt. Unterschiedliche Versorgungsstrukturen, Vergütungsregeln und weitere, nicht qualitätsbedingte Faktoren können jedoch die internationale Vergleichbarkeit solcher Kennzahlen beeinträchtigen. Eine mögliche Ursache für Abweichungen könnte in einer unterschiedlichen Erfassung von Behandlungsfällen mit kurzer Aufenthaltsdauer aufgrund frühzeitigen Versterbens nach der Ankunft im Krankenhaus liegen. Dies erscheint im Hinblick auf den akuten Herzinfarkt relevant, da hier das Sterberisiko innerhalb der ersten 24 Stunden nach Einsetzen der Symptome hoch ist. Daher untersuchte dieses Projekt am Beispiel von Deutschland und den USA, ob die in US-amerikanischen Krankenhausabrechnungsdaten gemessene Sterblichkeit bei akutem Herzinfarkt im Vergleich zur Sterblichkeit in deutschen Krankenhausabrechnungsdaten durch eine Untererfassung frühzeitig verstorbener Behandlungsfälle verzerrt sein könnte. Für Deutschland wurden mit der DRG-Statistik die Daten aller akutstationären Behandlungsfälle in Krankenhäusern, die nach dem DRG-System abrechnen, analysiert. Für die USA wurden gewichtete Stichproben der akutstationären Behandlungsfälle (National Inpatient Sample, NIS) sowie der Behandlungsfälle in Krankenhausnotaufnahmen (Nationwide Emergency Department Sample, NEDS) ausgewertet, die auf die Gesamtbevölkerung der USA hochgerechnet wurden. Betrachtet wurden die Jahre 2014 bis 2019. Die Krankenhaussterblichkeit wurde gemäß der OECD-Indikatordefinition (Indikator AC2: 30 Tage-Krankenhaussterblichkeit bei akutem Herzinfarkt [im gleichen Krankenhaus] unter Verwendung nicht verknüpfter Daten [aufnahmebasiert]) zunächst auf Grundlage der stationären Daten berechnet. Anschließend wurde die Krankenhaussterblichkeit in den USA unter Einbeziehung von Todesfällen in der Notaufnahme, die in den stationären Daten nicht erfasst waren, berechnet. Sowohl in Deutschland als auch in den USA trat etwa ein Viertel der Herzinfarkttodesfälle innerhalb eines Tages nach der Aufnahme ins Krankenhaus oder dem Eintreffen in der Notaufnahme auf. Die alters- und geschlechtsstandardisierte Krankenhaussterblichkeit war in Deutschland 1,6-mal höher als in den USA (2019: 7,3 % vs. 4,6 %). Nach Einbeziehung der Todesfälle aus den US-amerikanischen Notaufnahmedaten sank dieses Verhältnis auf 1,4 (2019: 7,3% vs. 5,2%). Während frühe Herzinfarkttodesfälle in deutschen Krankenhausabrechnungsdaten enthalten sind, werden diese in US-amerikanischen Daten nicht vollständig erfasst. Mögliche Unterschiede in der Erfassung früher Todesfälle, die auch in anderen Ländern bestehen könnten, sollten in internationalen Vergleichen der Herzinfarktsterblichkeit berücksichtigt werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Analyse der Zeitangaben in Krankenhausabrechnungsdaten bei ST-Streckenhebungs-Herzinfarkt und Linksherzkatheterintervention. Das Gesundheitswesen, 83(S 02), S122-S129.
Nimptsch, Ulrike & Busse, Reinhard
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Möglichkeiten und methodische Grenzen der Nutzung von Krankenhausabrechnungsdaten in der Herzinfarktforschung. Vortrag beim Interdisziplinären Symposium des Berlin-Brandenburger Herzinfarktregisters (B2HIR). Berlin, November 2021.
Nimptsch U.
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Accounting for early death recording in acute myocardial infarction mortality indicators based on administrative data – Observational study comparing Germany and the United States. Cold Spring Harbor Laboratory.
Nimptsch, Ulrike; Mansky, Thomas & Busse, Reinhard
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Herzinfarkt-Mortalität in Deutschland – Was ergeben die Routinedaten? Vortrag bei der 89. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Mannheim, April 2023.
Nimptsch U.
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Recording early deaths following emergency department visits in inpatient data: An observational study using data of 16 German hospitals. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, 177, 35-40.
Nimptsch, Ulrike; Busse, Reinhard; Möckel, Martin; Fischer-Rosinský, Antje; Slagman, Anna; Keil, Thomas; King, Ryan; Reinhold, Thomas; Roll, Stephanie; Baier, Natalie & Henschke, Cornelia
