Eingriff von Nahrungsmittelinhaltsstoffen in zelluläre Signalkaskaden im weiblichen Reproduktionstrakt
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Entwicklung des weiblichen Reproduktionstrakts unterliegt während der frühkindlichen Phase der Regulation durch Steroidhormone. Am Beispiel von Diethylstilbestrol, einem synthetischen Estrogen und transplazentaren Kanzerogen, das bis zu Beginn der 1970er Jahre bei schwangeren Frauen Anwendung fand, zeigte sich, dass eine frühzeitige Exposition gegenüber Estrogenen zu einer irreversiblen Schädigung des Uterusgewebes führen kann, die sich erst im Erwachsenenalter manifestieren und unter Umständen sogar zu bösartigen Tumoren führen können. Interessanter Weise werden ähnliche Veränderungen auch in Wnt7a-Knockout-Mäusen beobachtet. Des Weiteren induziert die perinatale Gabe von Diethylstilbestrol im Tierversuch eine vorübergehende Minderexpression von Wnt7a im sich entwickelnden weiblichen Reproduktionstrakt. Wnt-Signalproteine sind sezernierte Glykoproteine, die nach Bindung membranständiger, extrazellulärer Rezeptoren intrazelluläre Signalkaskaden aktivieren und eine wichtige Rolle in Entwicklungsprozessen des weiblichen Reproduktionstraktes und in der Kanzerogenese inne haben. Auch schwach estrogen wirksame Substanzen können im Tierversuch eine Veränderung in der Uterus Morphologie und der Wnt7a-Expression auslösen, wie am Beispiel einer technischen Mischung polychlorierter Biphenyle gezeigt werden konnte. ln den vergangenen Jahren wurde bekannt, dass das Soja-lsoflavon Genistein im Tierversuch ähnliche Fehlbildungen und Tumore auslöst wie nach Behandlung mit Diethylstilbestrol, die molekularen Mechanismen blieben jedoch ungeklärt. Ausgehend von diesen Beobachtungen untersuchte dieses Projekt mit molekular- und zellbiologischen Methoden die Wechselwirkung von Diethylstilbestrol, zwei lsoflavonen, die in Nahrungsergänzungsmittel vorkommen (Genistein und lrilon) und polychlorierten Biphenylen auf die Expression von weiteren Wnt-Proteinen in lshikawa Zellen, um die Einsatzmöglichkeit dieser Zelllinie für mechanistische Studien zur Modulation von Wnt-Signalwegen zu eruieren. Eigene Vorarbeiten zu diesem Projekt ergaben unter anderem, dass sowohl Diethylstilbestrol als auch Genistein in lshikawa Zellen die mRNA-Spiegel von Wnt7a signifikant reduzieren. Im Rahmen des Projekts wurde mittels quantitativer mRNA Bestimmung das Vorkommen der Estrogenrezeptoren α und β in der verwendeten lshikawa Zelllinie nachgewiesen, wobei der Estrogenrezeptor β nur 0,5% der Transkriptmenge des Estrogenrezeptors α ausmacht. Diethylstilbestrol reduzierte in diesen Zellen sowohl die Transkriptmengen von Wnt7a und Wnt5a als auch von einem Inhibitor eines der extrazellulären Rezeptoren, die die Wirkung der Wnt-Proteine vermitteln und von Bestandteilen des kanonischen Wnt-Signalwegs. Knockdown-Experimente mit siRNA ergaben, dass die Diethylstilbestrol-vermittelte Aktivierung des Estrogenrezeptors α Voraussetzung für die Minderexpression von Wnt5a und Wnt7a ist, und dass für die Reduktion der Wnt7a-Transkriptmenge Wnt5a vorhanden sein muss. Des Weiteren legten Experimente mit einem Hemmstoff der Proteinsynthese die Bedeutung eines oder mehrerer zu synthetisierender Faktoren für die langfristige Unterdrückung der Wnt5a- und Wnt7a-Genexpression nahe. Die molekularen Mechanismen der Diethylstilbestrol-vermittelten Minderexpression von Wnt7a in lshikawa Zellen scheinen demnach der in vivo Situation im Tierversuch nahe zu kommen. Eine immunchemische Untersuchung der Minderexpression von Wnt5a und Wnt7a in fixierten Zellen oder in Zelllysaten nach gelelektrophoretischer Trennung war nicht möglich, da bis zum Ablauf des Projekts unklar blieb, ob die verfügbaren Antikörper eine ausreichende Spezifität besaßen und die für eine detektierbare immunchemische Reaktion erforderliche Proteinmenge den Antikörpern präsentiert wurde. Die Behandlung von lshikawa Zellen mit dem Soja-lsoflavon Genistein reduzierte ebenfalls Estrogenrezeptor α-abhängig die Transkriptmengen von Wnt5a, Wnt7a und eines Inhibitors von am Wnt-Signalweg beteiligten extrazellulären Rezeptoren. Darüber hinaus konnte erstmals im Rahmen dieses Projekts die estrogene Wirkung des Rotklee-lsoflavons lrilon, verbunden mit einer Reduktion von Wnt7a und Wnt5a in lshikawa Zellen gezeigt werden. Polychlorierten Biphenyle mit geringem Chlorierungsgrad aktivierten in lshikawa Zellen nicht den Estrogenrezeptor α. Dagegen induzierten hydroxylierte niedrigchlorierte Biphenyle, wie sie im Fremdstoffmetabolismus entstehen können, eine signifikante Aktivierung des Estrogenrezeptors α. Neben einer damit einhergehenden Minderexpression von Wnt5a und Wnt7a wurde auch die Transkriptmenge des Schlüsselenzyms im kanonischen Wnt-Signalweg (Glycogensynthase-Kinase 3 beta) signifikant reduziert. Interessanterweise korreliert bei polychlorierten Biphenylen die Minderexpression von Wnt7a jedoch nicht, wie bei den untersuchten lsoflavonen, mit der Aktivierung des Estrogenrezeptors.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2007). Diethylstilbestrol-ähnliche Wirkung von Oxidationsprodukten niedrig chlorierter Biphenyle in einem zellularen Modell des weiblichen menschlichen Reproduktionstraktes. Lebensmittelchemie 62, 119-120. 36. Deutscher Lebensmittelchemikertag (10.-12. September 2007; Nürnberg)
Wagner J, Robertson LW, Lehmann L
- (2007). Induction of alkaline phospatase by 17beta-estradiol is dependent on the presence of estrogen receptor alpha in the endometrial Ishikawa cell line. Naunyn-Schmiedeberg's Arch. Pharmacol. 375 Suppl. 1, 488. 48. Frühjahrstagung der DGPT (13.-15. März 2007, Mainz)
Sauermann AM, Wagner J, Lehmann L
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00210-007-1090-5) - (2008). Diethylstilbestrol-like disruption of Wnt7a gene expression in a human endometrial cell line by hydroxylated PCBs. The Toxicologist 112,164-165. 47th Annual Meeting of the Society of Toxicology (06.-20. März 2008, Seattle, USA)
Lehmann L, Wagner J, Robertson LW
- (2009). Diethylstilbestrol-like effects of genistein on gene expression of Wnt-signaling components in the endometrial Ishikawa cell line. Abstract book. SKLM Symposium Risk assessment of phytochemicals in food – novel approaches (30. März -1. April 2009, Kaiserslautern)
Wagner J, Lehmann L
- Diethylstilboestrol-like effects of genistein on gene expression of Wnt signaling components in the endometrial Ishikawa cell line. In: DFG Senate Commission on Food Safety SKLM (ed.): Risk assessment of phytochemicals in food - novel approaches. (2010). Wiley-VCH, Weinheim, pp. 453-459
Wagner J., Lehmann L.