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Botenstäbe: Die Rekonstruktion eines indigenen australischen Systems zur Kommunikation über weite Entfernungen
Antragsteller
Piers Kelly, Ph.D.
Fachliche Zuordnung
Afrika-, Amerika- und Ozeanienbezogene Wissenschaften
Förderung
Förderung von 2019 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 435270035
Die Schrift ist eine prägende Erfindung der Menschheitsgeschichte. Unsere Entdeckung, dass Sprache durch sichtbare Zeichen dargestellt werden kann, befähigte uns zur Aufbewahrung von Informationen bis hin zur Kommunikation über weite Entfernungen und zu modernen Anwendungen wie der Computerprogrammierung. Dennoch ist die Schrift bei weitem nicht die einzige Methode zur graphischen Kommunikation und eine überraschende Spannweite an symbolischen Codes hat sowohl vor ihr existiert als auch mit ihr koexistiert. Weltweit haben kleine Gesellschaften nichtsprachliche Zeichensysteme mit einer Vielzahl von Anwendungen entwickelt, zum Beispiel um Buch zu führen, zur Erleichterung der Durchführung von Ritualen oder als Unterstützung von mündlichen Botschaften. Bis jetzt ist die Bedeutung dieser Informationstechnologien und ihrer Rolle für die menschliche Kommunikation von der Dominanz der Schrift überschattet worden. Der Gebrauch von Botenstäben im indigenen Australien stellt ein umfangreiches, aber untererforschtes Beispiel graphischer Kommunikation in einem "analphabetischen" Kontext dar. Dort reisten Boten über große Entfernungen, um Informationen mit Hilfe geschnitzter Holzstäbe zu übermitteln. Mit eingravierten Motivfolgen waren die Stäbe entworfen, um eine verbale Nachricht zu ergänzen, wie zum Beispiel eine Einladung, eine Kriegserklärung oder Nachrichten über Todesfälle. Als Botenstäbe im späten 19. Jahrhundert ein Thema von anthropologischem Interesse wurden, wandelte sich ihre Verwendung in Australien sehr schnell, und Fragen, die ihr volles Ausmaß und ihre Funktion betreffen, blieben unbeantwortet. Meine Studie wird versuchen, die folgende Kernfrage zu beantworten: Was ist die Geschichte, Funktion und Bedeutung australischer Botenstäbe? Zu diesem Zweck werde ich einige Methoden aus der historischen Ethnographie und linguistischen Anthropologie anwenden, um den Brauch der Botenstab-Kommunikation zu rekonstruieren, während ich auf ursprüngliche Feldarbeit, über 1000 konservierte Artefakte in Museen weltweit und erhaltene Aussagen zu ihrem früheren Gebrauch zurückgreife. Die Analyse dieser Daten wird dazu genutzt, drei bedeutsamen Wissenslücken über Botenstäbe zu füllen:1. ihr Status als Kategorie der australischen materiellen Kultur; 2. ihr Ursprung, ihre Verbreitung und Variation;; 3. ihre Funktionen, Konventionen und Pragmatik; 4. ihre postkontaktierte Kulturgeschichte (1788-heute); und 5. ihre Beziehung zu anderen Systemen der grafischen Kommunikation. Zum ersten Mal werden australische Botenstäbe innerhalb ihrer relevantesten kulturellen und linguistischen Kontexte betrachtet und mit Hilfe einer umfassenden Datenbank interpretiert. Die resultierende Studie wird unser Verständnis eines einzigartigen australischen Codes erweitern und eine empirische Grundlage für zukünftige komparative Arbeit zu graphischer Kommunikation weltweit liefern.
DFG-Verfahren
Forschungsstipendien
Internationaler Bezug
Australien
Gastgeberinnen / Gastgeber
Professorin Simone Dennis; Professor Howard Morphy