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Europa im Krieg. Vom Leben unter deutscher Besatzung 1939-1945
Antragstellerin
Professorin Dr. Tatjana Tönsmeyer
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung in 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 436382627
In den Jahren des Zweiten Weltkriegs lebten auf dem Höhepunkt der deutschen Machtentfaltung zwischen Tromsø und Heraklion sowie Brest und Smolensk etwa 230 Millionen Menschen unter deutscher Besatzung. In meinem Buch stehen ihre Alltagserfahrungen im Mittelpunkt. Es geht daher um Fragen wie die folgenden: Welche Erfahrungen verbanden sich damit, in einem besetzten Land zu leben? Wie interagierten Einheimische und Besatzer? Womit mussten sie sich arrangieren, wobei das Spektrum von bürokratischen Maßnahmen bis hin zur Verfolgung reichte. Welche Auswirkung hatte Besatzung auf Geschlechterverhältnisse, zumal wenn man bedenkt, dass in vielen Regionen Europas Männer zum Militärdienst eingezogen oder zu Arbeitseinsätzen/Zwangsarbeit verpflichtet worden waren, so dass nun Frauen Familien zu versorgen hatten, sich unter gewandelten Bedingungen um Kinder und alte Menschen kümmerten und Überleben sicherzustellen versuchten? Wie bewältigten sie basale Alltagsanforderungen, auch und gerade vor dem Hintergrund, dass deutsche Besatzung fast überall in Europa von Mangel begleitet wurde? Wie versuchten Menschen in jenen Regionen zu überleben, die von (existentiellem) Hunger geprägt waren und wo zudem die deutschen Besatzer Überlebensstrategien kriminalisierten? In diesen Kontext gehören auch die Fragen danach, welchen Konsequenzen sich jene ausgesetzt sahen, die Arbeitslosigkeit befürchten mussten, weil ihre Beschäftigungen nicht im deutschen Kriegsinteresse standen und daher als "verzichtbar" galten, die aber zugleich einem Arbeitseinsatz im Reich entgehen wollten? Schließlich: Krieg und Besatzung gingen einher mit Flucht, Deportationen und vielfältigen Formen von Gewalt. Wohin jedoch wandten sich verschreckte Menschen in ihrer Suche nach Orientierung, Nähe, Hilfe und Unterstützung? Welche Muster sozialen Zusammenhalts lassen sich in städtischen Nachbarschaften und dörflichen Gemeinschaften beobachten? In Beantwortung dieser Fragen diskutiert das Buch Besatzung und vor allem das Besetzt-Sein als zentralen europäischen Erfahrungszusammenhang, der sowohl Kriegs- als auch Nachkriegsjahre prägte. Es leuchtet dabei zugleich regionale Besonderheiten und Unterschiede (nicht zuletzt im Ost-West-Vergleich) wie auch transnationale Ähnlichkeiten aus. Indem es jüdische Erfahrungen und vor allem Überlebensstrategien einbezieht, zeigt es, in welchem hohem Maße diese der Kontextualisierung durch Besatzung und Besatzungserfahrungen bedürfen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen