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„... dass die Bereitschaft, dem Geist einer neuen Zeit gerecht zu werden, nicht den tragenden Grund der abendländischen Kultur zersplittern und aufweichen darf ...“. Pastorale Praxis zwischen vorkonziliarer Modernität und nachkonziliarem Konservativismus

Fachliche Zuordnung Katholische Theologie
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 410907407
 
Der Vorkonzilskatholizismus zeigt sich keineswegs so geschlossen, wie er im Nachhinein wahrgenommen wurde. Vereinzelt hatten bereits vor dem II. Vatikanum Pfarrer den Mut, in ihren Gemeinden Reformideen umzusetzen. Im Zuge des Konzils kam es bei solch vormals „modernen“ Seelsorgern z.T. zu einem Bruch, der sich nicht nur in der Ablehnung eines Teils der Konzilsbeschlüsse, sondern auch in einer Abkehr von den bisherigen Modernisierungsbestrebungen der eigenen pastoralen Praxis äußerte. Die doppelte Ungleichzeitigkeit dieser Seelsorger, einerseits theologische Vordenker im kirchlichen Konservativismus der 1940er und 1950er Jahre gewesen zu sein, andererseits in einer Zeit hoher Innovationskraft und „experimenteller Lust“ eine konservative Wende zu vollziehen – muss analysiert und erklärt werden. Im Teilprojekt soll die These der Vielgestaltigkeit sowohl des vor- als auch des nachkonziliaren Katholizismus in der Bundesrepublik für den Bereich der Pastoral überprüft werden. Als Proband ausgewählt wurde der Stuttgarter Stadtpfarrer Hermann Breucha (1902–1972), der zu einer Gruppe von Seelsorgern gehörte, die in vorkonziliarer Zeit ihre pastorale Arbeit gezielt entgrenzten. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre lässt sich bei Breucha dann eine deutliche Wende feststellen. Aus dem modernen Seelsorger wurde ein konservativ agierender Geistlicher. Das Teilprojekt will diese Konfliktfelder, die ein nicht identisches Verständnis von Katholischsein implizieren, unter der Perspektive pastoraler Praxis, veränderter Semantik und emotionaler Dynamik untersuchen. Dabei werden drei Dimensionen verfolgt: Aktivierung und Sozialität (Gemeinde), Erfahrung und religiöse Selbstbemächtigung (Liturgie) sowie Einlassung und Abgrenzung/Permeabilität (Medienarbeit/Ökumene). Das Thema soll in zwei Unterprojekten untersucht werden, die verschiedene Handlungsfelder pastoraler Praxis fokussieren: Zunächst den Pfarrer als „Milieumanager“ in seiner Funktion ad intra, dann in seiner missionarischen Dimension ad extra. Das dreistufige Analyseverfahren basiert auf der Auswertung unveröffentlichter Quellen und wird durch die von Breucha hergestellte weitere Öffentlichkeit ergänzt, die sich medial niederschlug. Zur Kontrastierung des Befunds werden qualifizierte Zeitzeugeninterviews durchgeführt. In einer weiteren Projektphase können durch die vergleichende Analyse eines anderen „Reformers“ (Otto Karrer), der jedoch einen zu Breucha entgegengesetzten Weg zurücklegte, Identitätsmarker für die jeweils unterschiedliche Richtungsentscheidung herausgearbeitet werden. Von der Untersuchung der Rezeption Breuchas in seinem Umfeld (Werfer, Görres et al.) sowie in der nächstjüngeren Generation (Keller et al.) werden weiterführende Erkenntnisse zur Diversifizierung des Katholischseins in der postkonziliaren Phase erwartet. So werden Varianten von Katholischsein in verschieden konnotierten „Echoräumen“ studierbar über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren hinweg.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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