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»Reine Rechtslehre« und Verfassungsgerichtsbarkeit – Das Verhältnis beider im Kontext imperialer Denktraditionen und post-imperialer Herausforderungen 1918–1934

Antragsteller Dr. Peter Techet, Ph.D.
Fachliche Zuordnung Grundlagen des Rechts und der Rechtswissenschaft
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 437440302
 
Hans Kelsen gehört zu den Klassikern der europäischen Rechtswissenschaft. Seine Theorien sind weitgehend erforscht. Im Gegensatz dazu werden aber die historischen Kontexte, unter denen die Kelsensche »Reine Rechtslehre« entstand, in der bisherigen Kelsen-Literatur weitaus weniger in den Blick genommen. Diese Lücke fördert eine allzu abstrakte, »raum- und zeitlose« Lesart des Kelsenschen Lebenswerkes, in der dessen historische Hintergründe und Motive verborgen bleiben. Mein Forschungsvorhaben strebt daher eine eingehende historische Kontextualisierung von Kelsens Wirken in der Ersten Republik an. Seine Theorien werden dabei einerseits im Umfeld gesellschaftlicher Wandlungen und Spannungen im post-habsburgischen Österreich verortet. Andererseits werden seine wissenschaftliche Arbeit und sein intellektuelles Engagement mit der Tätigkeit als Verfassungsrichter kontrastiert.Österreich der Zwischenkriegszeit steht als zeitlicher Referenzrahmen für die Forschung: Zum ersten entwickelte Kelsen die "Reine Rechtslehre" als Reflexion und Reaktion auf die damaligen politischen Ereignisse. Zum zweiten wirkte er als Verfassungsrichter am österreichischen Verfassungsgerichtshof (VfGH), dessen Entscheidungen politische Debatten einholten bzw. auslösten. Zum dritten setzte er sich als kritischer Intellektuelle für progressive Anliegen ein, welche für gesellschaftliche Kontroverse sorgten und vom VfGH entschieden werden mussten. Die historische Verortung von Kelsens sozialen Rollen (als Rechtswissenschaftler, Verfassungsrichter und kritischer Intellektueller) ermöglicht ein neues Verständnis für die Entstehungs- und Wirkungsgründe seiner Rechtslehre und der Verfassungsgerichtsbarkeit. In der Forschungsfrage überschneiden sich rechts- und geschichtswissenschaftliche Forschungsstränge. Die historischen Kontextschichten der »Reinen Rechtslehre« und der Verfassungsgerichtsbarkeit werden durch eine archivarische Quellenarbeit herausgearbeitet und beleuchtet. Angesichts der historischen Umstände, die so in der Arbeit erfasst werden, lassen sich die Reflexivität der "Reinen Rechtslehre" und der politische Charakter der Verfassungsgerichtsbarkeit zum Vorschein bringen. Indem die historischen Kontexte rechtstheoretischer Reflexionen und rechtspraktischer Wirkungsmacht in den Vordergrund gerückt werden, lässt sich erforschen, ob und wie Recht und Politik bzw. Theorie und Institution einander bedingen. Die in der "Reinen Rechtslehre" vertretene These, die Rechtsanwendung sei selbst rechtskonstitutiv (d.h. politisch), wird insofern aufgrund historischer Umstände und Quellen erprobt.Das Forschungsvorhaben gliedert sich thematisch wie chronologisch in das Projekt »Hans Kelsen Werke« (HKW) ein, das – von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz getragen – an der Hans-Kelsen-Forschungsstelle der Albrecht-Ludwigs-Universität (Freiburg im Breisgau) und der Johann Wolfgang Goethe-Universität (Frankfurt am Main) angesiedelt ist.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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