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Systemische Risiken in Finanznetzwerken

Antragsteller Professor Dr.-Ing. Ulrich Meyer, seit 12/2021
Fachliche Zuordnung Theoretische Informatik
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 411362735
 
Die Auswirkungen der jüngsten Finanzkrise hat Experten und Akademiker gleichermaßen überrascht. Vor allem der Konkurs der US Investmentbank Lehman Brothers hat die Gefahren, die sich aus der zunehmenden Komplexität weltweit operierender Finanzinstitute ergeben, schmerzhaft aufgedeckt und führte beinahe zum Zusammenbruch des globalen Finanzsystems. In diesem Projekt wollen wir neue und innovative Methoden zum Verständnis und Management systemischer Risiken entwickeln. Dazu verwenden wir ein etabliertes Modell finanzieller Ansteckungen und erweitern es entlang verschiedener, zusammenhängender Richtungen. Erstens, dient die Einsicht, dass Finanzverträge als Derivate bewertet werden können, als Grundlage für theoretischen Analysen und Computersimulationen. Bei Einzelunternehmen ist dieser Zugang seit Merton's wegweisender Arbeit bereits weit entwickelt und mittlerweile als Industriestandard zur Risikoanalyse etabliert. Im Rahmen von Finanznetzwerken, wurde dieser Zusammenhang jedoch bisher nicht ausgenutzt. Hier wollen wir diese Einsicht nutzen, um daraus neue und theoretisch fundierte Maße für systemische Risiken sowie zur Berechnung von Versicherungsprämien systemischer Risiken zu gewinnen. Zweitens, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank, planen wir moderne statistische Modelle vonNetzwerken auf realen Finanzdaten zu trainieren. Insbesondere, geometrische Modelle wie hyperbolische Zufallsgraphen sind bekannt dafür Verteilungen der Knotengrade und Clustering vieler sozialer Netzwerke abzubilden, wurden aber bisher nicht auf Finanznetzwerke angewendet. Darüber hinaus ermöglicht uns die Verwendung von Bayes'schen Methoden für latente Variable-Modelle künstliche Netzwerke mit realistischen Strukturen zu generieren, unter Berücksichtigung des Datenschutzes für die zugrundeliegenden Originaldaten. Dies ist insbesondere wichtig, um den strengen Vertraulichkeitsanforderungen von Finanzdaten Rechnung zu tragen, die den Zugang und den freien Austausch von Forschungsdaten stark einschränken. Abschließend, diskutieren wir Implikationen für ein effektives Management von systemischen Risiken. In diesem Zusammenhang betrachten wir sowohl strategische Aspekte bei der Ausbreitung von Kreditausfällen als auch Algorithmen für die Generierung von Stresstestszenarien. Insbesondere scheinbar kleine Verluste, die jedoch zu systemweiten Verlusten führen, stellen eine große Herausforderung dar. Wir schlagen deshalb vor, Techniken für Patient-Zero Probleme, die es erlauben Epidemien zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen, auf Finanznetzwerke anzupassen und so mögliche Szenarien, die sich zu globalen Krisen ausweiten könnten, zu identifizieren. Eine effektive Regulierung von Finanzmärkten wird letztlich nur möglich sein durch eine Kombination von Messung und Simulation systemischer Risiken anhand realistischer Modelle, die insbesondere strategische Überlegungen einzelner Finanzakteure bei der Ausbreitung von Finanzrisiken berücksichtigen.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
Ehemaliger Antragsteller Professor Dr. Nils Bertschinger, bis 12/2021
 
 

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