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Endotheliale Marker zur Bestimmung des Risikos einer kognitiven Störung nach OP (EndOpCog)

Fachliche Zuordnung Klinische Neurologie; Neurochirurgie und Neuroradiologie
Anästhesiologie
Biologische Psychiatrie
Epidemiologie und Medizinische Biometrie/Statistik
Public Health, Gesundheitsbezogene Versorgungsforschung, Sozial- und Arbeitsmedizin
Förderung Förderung von 2020 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 438955240
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Weltweit werden pro Jahr etwa 313 Mio. Operationen (OPs) durchgeführt. Gerade ältere Menschen sind dabei häufig einem Risiko eines postoperative Delirs (POD) oder postoperativer kognitiver Dysfunktion (POCD) ausgesetzt. So entwickeln etwa 20%-29% POD in den Tagen nach der OP. Symptome inkludieren Verwirrtheit oder Apathie und bedarfen häufig einer medikamentösen Therapie. Wenn die Patient*innen wieder in ihrer häuslichen Umgebung angekommen sind entwickeln einige von ihnen (etwa 10-25%) zudem POCD. Ihre Symptome können beispielsweise Gedächtnisschwierigkeiten inkludieren. Wir wissen derzeit nicht, wer eine POD/POCD entwickelt, und wer nicht. Eine Identifikation von Risikofaktoren für POD/POCD ist jedoch von zentraler Bedeutung für: i) präoperative Screening Programme (z.B. mit Konsequenz einer Absage elektiver OPs) und ii) ein besseres Verstehen der zugrundeliegenden pathophysiologischen Mechanismen. Im EndOpCog Projekt evaluierten wir die endotheliale Dysfunktion (ED) als möglichen Risikofaktor für POD/POCD und näherten uns zusätzlich einer möglichen (von uns erwarteten) Kausalität in der Beziehung. Das Endothelium von Blutgefäßen sorgt für die angemessene Sauerstoff- und Nährstoffversorgung im Körper. ED wiederum ist eine Konsequenz eines „ungesunden“ Lifest les mit Resultaten wie etwa dipositas oder Diabetes. ED betrifft den gesamten Körper und ist folglich ein systemisches Problem. EndOpCog erlaubte die strategische Evaluierung der ED-POD/POCD Beziehung anhand der größten epidemiologischen Studie, die im Kontext von ED und POD jemals durchgeführt wurde, und die Zugriff auf selten-gemessene Parameter wie etwa zerebrovaskuläre Veränderungen gewährte. Gleichzeitig war EndOpCog einzigartig in der Forschungslandschaft zu POCD, die nie zuvor ED als möglichen Risikofaktor untersucht hatte. Daten lieferten N=788 Teilnehmender eine multi-zentrischen Kohortenstudie älterer Patient*innen, die 2014-2017 in Krankenhäusern in Utrecht (Niederlande) und Berlin operiert worden waren. Von ihnen entwickelten 19.7% eine POD (bis 7 Tage nach OP/Entlassung) und 10.1% präsentierten mit einer POCD beim 3-monats follow-up. Diese Inzidenz war konsistent mit unseren literaturbasierten Erwartungen. Wir maßen die Konzentrationen von 5 ED Biomarkern im präoperativen Plasma, das in einer Biobank eingelagert war, und assoziierten ihre Konzentrationen statistisch mit den Endpunkten POD und POCD. Insgesamt fanden wir erste Hinweise auf präoperative systemische ED als Risikofaktor für POD, die sich allerdings – entgegen unserer Hypothese – als (wahrscheinlich) nicht kausal herausstellten: die Beziehung verschwand, wenn wir für prämorbiden IQ und vaskuläre Risikofaktoren (als mögliche ‚Störfaktoren‘) adjustierten; sie also herausrechneten. Dies deutet auf sie als Treiber der ED-POD Beziehung hin. Ein Hinweis für eine Assoziation von präoperativer ED mit niedrigerem POCD Risiko (unabhängig von allen berücksichtigten Störfaktoren, was auf Kausalität hindeutet) war in entgegengesetzter Richtung zu unserer Hypothese und durchaus überraschend, stützt jedoch Erkenntnisse aus der Literatur, die unterschiedliche Risikofaktoren für POD versus POCD indizieren. Es bedarf insgesamt weiterer Forschung, um die Risikofaktorprofile von POD/POCD, und somit auch ihre jeweilige Pathogenese, besser zu verstehen. Wissen über die Risikofaktorprofile können dann einen ersten Schritt zu möglichen Screening- und ggf. Präventivmaßnahmen mit dem Ziel einer Verbesserung der kognitiven Prognose älterer, operativer Patient*innen liefern. Entgegen unserer ursprünglichen Hypothese fanden wir erste Evidenz für eine Assoziation zwischen einem höheren präoperativen sVCAM Wert (indiziert eine ausgeprägtere systemische ED) und einem niedrigeren Risiko, mit einer POCD beim 3-monats follow-up zu präsentieren. Obgleich dies die erste Studie zu der Beziehung von sVCAM und POCD Risiko darstellt, ist dieses Ergebnis kontra-intuitiv und nicht konsistent mit den Risikofaktoren, die über andere altersbedingte kognitive Einschränkungen/Erkrankungen (wie etwa Demenz) bekannt sind. Das Ergebnis könnte darauf hindeuten, dass unterschiedliche pathophysiologische Prozesse den altersbedingten kognitiven Einschränkungen/Erkankungen und der POCD zugrundeliegen. Weitere Studien sind dringend nötig, um diesen „überraschenden“ Teil unserer Ergebnisse in unabhängigen, operativen Kohorten näher zu evaluieren.

 
 

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