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Missachtung, Anerkennung, Kreativität - Exkommunizierte Laien im 13. Jahrhundert
Antragstellerin
Professorin Dr. Katharina Mersch
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung in 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 439635158
Schon das Neue Testament kennt die temporäre Exklusion des Sünders aus der Gemeinde, die ihn zurück zu einem gottgefälligen Leben finden lassen sollte. Diese Idee wirkte in der seit dem 12. Jahrhundert ausdifferenzierten Exkommunikation fort. Dass dabei eine für die mittelalterliche Kirche charakteristische Beziehungsstruktur fortwirkte, die die christliche Gemeinschaft, den Einzelnen und Gott umfasste, findet seinen Niederschlag im zwischen Sozial- und Religionsgeschichte oszillierenden Konzept des Buches. Allein der Einzelne konnte Schuld auf sich laden, für die er sich im Innern vor Gott zu verantworten hatte. Die Kirche als Heilsgemeinschaft aber war damit betraut, über die Sündhaftigkeit einer Tat, über die innere Gottesbeziehung des Einzelnen zu befinden und den Sünder zur Besserung zu bringen - im äußersten Fall durch die alle Lebensbereiche tangierende Exkommunikation. Dieser medizinale, zwischen dem Einzelnen, der Gemeinschaft und Gott vermittelnde Charakter hebt die Exkommunikation von anderen Exklusionsphänomenen ab; Der Sünder war zwar aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, aber aufgefordert, sich positiv auf sie zu beziehen, so die Integrität seiner inneren Gottesbeziehung zum Ausdruck zu bringen und wieder in die Gemeinschaft hineinzufinden. Das Buch fragt, zuerst auf welchen Grundlagen und dann wie und warum die Menschen dies taten, und zwar für das von kirchenrechtlichen Innovationen geprägte 13. Jahrhundert.Dabei kommen diejenigen zu Wort, die meist selten befragt werden, wenn es gilt, die Gestalt der mittelalterlichen Kirche zu ergründen: die Laien. Die christliche Gemeinschaft wurde oft als eine zweigeteilte gedacht, in der Laien in mehrfacher Hinsicht der klerikalen Autorität unterstellt waren. In dieser dualistischen Konzeption war die Exkommunikation die geistliche Waffe' des Klerus, mit der er die Laien belangen konnte, auch in Situationen, die weniger von spirituellen Notlagen denn von politischen Konflikten zu zeugen scheinen. Diese Spannung ist auch den im Buch amalgamierten Exkommunizierten-Biographien zu Eigen, die nahebringen, wie sich die Laien - vom Herzog bis hin zum Stadtbewohner - unter dem Eindruck der Exkommunikation verhielten. Verschiedene Textgattungen, für die eine angemessene komparative Auswertung auf breiter Basis für das Thema bislang noch aussteht, erfahren dabei eine eingehende Untersuchung. Sie offenbaren, wie die Laien um Unterstützung von Seiten weltlicher und geistlicher Autoritäten warben, wie sie das Kirchenrecht und ihre innere Glaubenshaltung für ihre Sache und gegen ihre Bischöfe instrumentalisierten oder wie es ihnen gelang, der Exkommunikation zum Trotz an der christlichen Glaubenspraxis festzuhalten. Mithilfe mikroperspektivischer, einer übergeordneten sozialgeschichtlichen Perspektive verpflichteten Analysen wird gezeigt, dass diese Laien sich in der Gemeinschaft, aus der sie eigentlich ausgeschlossen sein sollten, äußerst rege bewegten, und dass sie einiges zu ihr zu sagen hatten.
DFG-Verfahren
Publikationsbeihilfen