Detailseite
Samuel Huntington (1927-2008) und die intellectual history des 20. Jahrhunderts
Antragsteller
Professor Dr. Jan Eckel
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung seit 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 440042295
Der amerikanische Politikwissenschaftler Samuel Huntington war einer der maßgeblichen Denker der zweiten Jahrhunderthälfte – und ein unorthodoxer public intellectual zudem. Seit den 1950er Jahren beteiligte er sich führend an Debatten über die Herausforderungen postkolonialer Staatenbildung und gesellschaftlicher Umbrüche in den Vereinigten Staaten selbst, über Konzeptionen globaler Ordnung und die amerikanische Rolle in der Welt. Wie wenige andere Sozialwissenschaftler polarisierte Huntington seine Zeitgenossen, denen er mal als hellsichtiger Beobachter und mal als empirisch fragwürdiger Ideologe galt. Trotz dieser kontroversen Rezeption belegt seine Karriere nicht nur einen erheblichen wissenschaftlichen Einfluss, sondern auch eine kontinuierliche Nähe zur politischen Macht: Der Harvard-Professor gehörte einer Reihe staatlicher und privat geförderter Gremien an, beriet verschiedene amerikanische Regierungen und beteiligte sich an politischen Reformdiskussionen in Ländern wie Brasilien und Südafrika. Das Ziel der geplanten Studie ist es, die intellektuelle Biographie Huntingtons zu erschließen und eine Interpretation seines Werks zu entwickeln, die seine Thesen geschichtlich einordnet und erklärt. Erstens soll analysiert werden, in welcher Weise Huntington seine Gegenwart deutete und durch politische Empfehlungen zu gestalten versuchte. Zweitens gilt es zu untersuchen, wie sein akademisches Umfeld und seine Tätigkeit als politischer Berater die intellektuelle Produktion des Politikwissenschaftlers formten. Drittens sollen Huntingtons Interventionen in die breiteren gesellschaftlichen und politischen Diskussionszusammenhänge seiner Zeit eingeordnet und dadurch herausgearbeitet werden, welche Bedeutung und welche Prägekraft seinem Denken zukamen. Mit alledem, so die Annahme des Projekts, lassen sich zentrale Prozesse der gesellschaftlichen Selbstverständigung und Mechanismen des Umgangs mit einer als krisenhaft empfundenen Welt näher erforschen, die in der amerikanischen Geschichte der zweiten Jahrhunderthälfte tiefe Spuren hinterlassen haben. Die geplante Studie verspricht in mehrfacher Hinsicht neue Aufschlüsse: Zum einen wirft Huntingtons Karriere als Berater demokratischer wie republikanischer Regierungspolitiker von Nixon über Carter bis Reagan die Frage nach ideellen Kontinuitäten und der Rolle sozialwissenschaftlicher Experten in Zeiten zunehmender politischer Spaltung auf. Zum anderen spielte Huntington eine zentrale Rolle in den intellektuellen Debatten über die globale Ordnung nach dem Ende des Kalten Kriegs, die bislang nur in Ansätzen historisiert worden sind und einen neuen Blickwinkel auf die intellectual history des 20. Jahrhunderts versprechen. Schließlich ergibt sich ausgehend von Huntingtons weltweiter Rezeption und Expertentätigkeit auch die Möglichkeit, genuin amerikanisch erscheinende Ideen in ihren globalen und transnationalen Dimensionen zu beleuchten.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen