Detailseite
Projekt Druckansicht

Meinungspolarisierung zu Fragen von Identitätspolitiken und Denationalisierung: Eine vergleichende Längsschnittstudie

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2020 bis 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 440923825
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ziel des Projekts war es, Meinungspolarisierung zu neuen identitätspolitischen und kulturellen Themen (z. B. Einwanderung, Geschlechterrollen, Diversität, EU) in Europa zu untersuchen. Polarisierung wurde anhand marginaler Verteilungen von Antwortfrequenzen sowie durch Meinungsunterschiede zwischen soziostrukturellen Gruppen gemessen. Die Analyse basiert auf langfristigen Umfragedaten. Zentrale Befunde: Geringe Gesamtpolarisation und Stabilität über Zeit: In langfristigen Umfrageprojekten finden sich insgesamt nur geringe Hinweise auf Meinungspolarisierung, und es zeigen sich keine Zunahmen über die letzten Jahrzehnte. Bimodale Verteilungen in der Gesamtbevölkerung sind selten. Diese Ergebnisse stimmen mit anderen Studien überein. Berufsklassen: Unterschiede ohne klare Lagerbildung: Mittelwerte der Meinungen unterscheiden sich zwar nach Berufsklassen, doch die Arbeiterklasse ist intern gespalten, insbesondere bei Fragen zu Einwanderung und EU. Rechtspopulistische Akteure können daher zwar Teile der Arbeiterklasse mobilisieren, aber nicht die Mehrheit. Erfolgreicher wäre wahrscheinlich die Konzentration auf spezifische Teilaspekte statt auf allgemeine Anti-Zuwanderungsrhetorik. Bedeutung der Itemformulierung: Das Ausmaß der gefundenen Polarisierung hängt stark von der Art der Umfrageitems ab. Allgemeine Aussagen (z. B. "Einwanderer sind gut für die Wirtschaft.") führen selten zu Polarisierung; konkrete Fragen (Einwanderungsniveau, Assimilationsanforderungen) hingegen stärker. Zudem reagieren Polarisationsmaße empfindlich auf die Länge der Antwortskalen. Warum oft keine Polarisierung gemessen wird: Viele Items in Langzeitumfragen sind sehr abstrakt formuliert. Rein empirisch lassen sich die größten marginalen Unterschiede eher bei konkreten Fragen feststellen. Wahrnehmung von Konflikten ohne Polarisierung: Der Eindruck gesellschaftlicher Spaltung kann entstehen, wenn einzelne Themen dominieren. Die Flüchtlingsdebatte 2015 verstärkte Wahrnehmungen von Konflikt, obwohl die langfristigen Meinungen zu migrationsbezogenen Fragen relativ stabil blieben. Covid-19: Politisierung ohne Extreme: Die Pandemie war ein neues Thema ohne etablierte politische Trennlinien. Trotz Politisierung blieben Polarisationsniveaus moderat und schwankten mit den Pandemiestufen; es entstanden keine dauerhaften Extreme. Cultural Backlash: Unterschiedliche Dynamiken Ost/West: In Ungarn und Polen zeigen weniger gebildete Gruppen über Jahrzehnte stabile Ablehnung gegenüber Homosexualität, während höher Gebildete liberaler wurden. Die Bedingungen für einen „kulturellen Backlash“ sind dort stärker gegeben als in Westeuropa. Schlussfolgerung: Für die Erforschung struktureller Polarisierung ist es sinnvoll, Schnittstellen zwischen sozialen Merkmalen (z. B. Klasse × Region) zu analysieren, um besonders stark polarisierte Gruppen zu identifizieren. Gleichzeitig müssen sehr kleine Gruppen hinsichtlich politischer Relevanz mit Vorsicht interpretiert werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung