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Atomistische und kontinuierliche Bruchmodelle für Nanostäbchen: Gleichgewichte und Dynamik
Antragsteller
Professor Dr. Bernd Schmidt
Fachliche Zuordnung
Mathematik
Förderung
Förderung seit 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 441138507
Seit den 1990er Jahren und dem ersten Boom zu Untersuchungen von Kohlenstoffnanoröhren wurden eine ganze Reihe neuartiger 1d-Nanomaterialien entdeckt, darunter Nanodrähte, Nanostäbchen, Nanosäulen und Nanowhisker, die u.a. in der Elektronik, Photonik, im Sensordesign und in der Biomedizin Anwendung finden. Die mathematische Beschreibung von dünnen Stäben im Rahmen der kontinuierlichen Elastizitätstheorie durch geeignet dimensionsreduzierte klassische Stabtheorien ist mittlerweile gut verstanden. Auf der Nanoskala jedoch, wenn reine Kontinuumstheorien zweifelhaft werden, muss auf grundlegendere atomistische Modelle zurückgegriffen werden. Zusätzliche Herausforderungen stellen sich, wenn die Möglichkeit von Bruchbildung berücksichtigt wird. Keramische und Halbleiter-Nanodrähte etwa können unter Belastung große Auslenkungen, aber auch spröden oder zähen Bruch aufweisen. Ihr mechanisches Verhalten unterscheidet sich von dem ausgedehnter Körper, ist größen- und strukturabhängig und wird zudem von ihrer Oberflächenenergie beeinflusst. In einem Vorgängerprojekt ist es uns gelungen, eine geeignete "Kirchhoff-Griffith"-Stabtheorie für solch ultradünne Objekte mit Hilfe von variationellen (Gamma-)Konvergenzmethoden herzuleiten. Das neuartige Energiefunktional kombiniert eine verallgemeinerte Kirchhoff-Stabtheorie mit atomistischen Korrekturtermen und Rissenergiebeiträgen vom Griffith-Typ. Es gibt jedoch wichtige Fragen, die nicht durch eine reine Gamma-Konvergenzanalyse beantwortet werden können. Insbesondere betrifft dies (A) das effektive Verhalten statischer Gleichgewichtskonfigurationen und (B) die effektive Beschreibung sich dynamisch entwickelnder Strukturen. Beide Fragen sind für dünne Strukturen mit Rissen von besonderer Bedeutung, sowohl in theoretischer Hinsicht als auch mit Blick auf Anwendungen in den Ingenieurwissenschaften. In diesem Projekt betrachten wir ultradünne Stäbe in einem Regime, das sowohl endliche Biege- und Torsionsverformungen als auch eine begrenzte Anzahl von Brüchen und Knicken zulässt. Wir kombinieren Dimensionsreduktionstechniken mit einem Übergang von atomistischen zu Kontinuumsmodellen und untersuchen Teilchensysteme für Nanostäbchen im asymptotischen Bereich, wenn sowohl die Anzahl der Atome sehr groß als auch das Aspektverhältnis extrem klein wird. Für eine effektive Beschreibung (A) allgemeiner Gleichgewichtszustände setzen wir stabile Atomkonfigurationen im Kräftegleichgewicht in rigoroser Weise in Beziehung zu kontinuierlichen Gleichgewichten unserer zuvor entwickelten Kirchhoff-Griffith-Stabtheorie. Im dynamischen Fall (B) werden die Lösungen des (hochdimensionalen) Systems der Newton-Gleichungen für das atomare Teilchensystem asymptotisch durch ein freies Randwertproblem für die Gleichungen der (verallgemeinerten) dynamischen Kirchhoff´schen Stabtheorie beschrieben.
DFG-Verfahren
Schwerpunktprogramme