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Soziotechnische Systeme der antizipatorischen Wahrheitsverifikation im Feld der Flughafensicherheit

Antragstellerinnen / Antragsteller Dr. Bettina Paul; Professor Dr. Torsten Voigt
Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 442224904
 
Zur Erhöhung nationaler Sicherheit wird auch in Deutschland zunehmend auf die Entwicklung und Erprobung neuer Verfahren der Lügendetektion gesetzt, die sich insbesondere im Kontext von Grenzkontrollen einsetzen lassen. Diese als "Wahrheitsverifikation" bezeichneten Screeningverfahren arbeiten mit halb- oder vollautomatisierten Systemen, die mittels Messung "nonverbaler", psychophysiologischer Parameter Personen mit "bösartigen“ Absichten identifizieren sollen. Als Orte mit hochkonzentriertem Sicherheitsanspruch dienen Flughäfen dabei als priorisierte Erprobungs- und Einsatzorte.Die Entwicklung dieser automatisierten Systeme, die Aussagen über "harmlose vs. schädigende Absichten" ableiten wollen, wird im geplanten Projekt aus einer wissenschafts- und techniksoziologischen Perspektive untersucht. Dabei soll herausgefunden werden, was es bedeutet, wenn Wahrheitsverifikationsverfahren, die bislang zentral auf psychologischer Expertise und Interpretation basierten, nun automatisiert werden.Das geplante Projekt untersucht daher, wie sich Sicherheitsbegehren und Vorstellungen von "Wahrheit" in der Entwicklung neuer technischer Systeme materialisieren. Dabei gilt es vier zentrale Aspekte herauszuarbeiten: Erstens, vor welchem Hintergrund neue technische Systeme der antizipatorisch ausgerichteten Wahrheitsverifikation entwickelt werden und worin ihr Erkenntnisobjekt aus epistemologischer Sicht besteht; zweitens, welche Ansprüche an das Entwicklungsfeld gerichtet werden; drittens wie diese Ansprüche im Feld mit dem Denkstil der Entwickler*innen amalgieren und welche Aushandlungen dies während der Entwicklung mit sich bringt; und viertens wie die Systeme praktisch ausgestaltet werden. Das Vorhaben wird den Entwicklungsprozess der Technik im Feld der Flughafensicherheit verfolgen. Der Blick ist auf die Aushandlung und Ausgestaltung des technischen Systems gerichtet, mit Erkenntnisinteresse daran, wie sich in diesem soziotechnischen Ensemble Wahrheit und Intention als zu detektierende Phänomene entfalten, operationalisierbar werden und schließlich materialisieren.Mit diesem Fokus leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag zu zentralen soziologischen Debatten. In Zeiten, in denen Konzepte von Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Intention in Frage gestellt werden, arbeitet das Projekt zum einen heraus, wie diese komplexen und vielschichtigen Begriffe in einem spezifischen Setting konzeptualisiert und in Anwendungen übersetzt werden und trägt damit einer Soziologie der Wahrheit bei. Zum anderen gibt es wichtige Impulse für die soziologische Analyse von Visionen in der Technikentwicklung. Zudem bietet es Anhaltspunkte zur methodischen Weiterentwicklung der Schnittstelle digitaler Ethnografie und Technografie, indem es die reziproken Einflüsse von Interaktion, Imagination, Diskursivität und Materialität behandelt.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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